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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ließ.
Ihre Haut und ihr Haar hatten einen leicht säuerlichen
Geruch nach einem Tag Jetlag und zwölf Stunden auf den
Beinen, in denen sie das Loblied des DEC PDP-11 mit
seiner Time-Sharing-Software und den Magnetbandein-
heiten, die zusammen größer waren als sie selbst, trotz ih-
res beeindruckend «großen» Haars, gesungen hatte. Als er
erst einmal in ihr drin war, konnte er sich vor lauter Müdig-
keit nicht zurückhalten, und sie ließ seine Entschuldigun-
gen nicht gelten. Schlafmangel begleitete diese hastigen
Eroberungen und hielt sich eine Woche lang als leichte Er-
schöpfung, während das Gefühl der Eroberung über Nacht
zu nichts verpuffte.
    Antoinette war eine beängstigend dünne Frau, eine auf
Fehlerbeseitigung spezialisierte Debuggerin mit rauem
Mundwerk, die er bei einer Computermesse in Saint Louis
kennen lernte – endlose Flächen blassen Metalls und kon-
vexer schwarz-grüner Bildschirme, nur einen Spaziergang entfernt von dem großen Bogen, mit dessen Durchque-
rung die Lewis-and-Clark-Expedition den Westen öffne-
te. Die Messe fand in einem erst kürzlich errichteten rie-
sigen Schuppen statt – das frühere Schwarzenghetto dort
war abgerissen worden, die Bewohner waren nach East
Saint Louis geflohen, und die Messeveranstalter schienen
sich um Unklaren darüber zu sein, an wen sich der Gla-
mour richtete: an die Großunternehmen oder an die pri-
vaten Computerfreaks, die Geduld hatten und Hunderte
von Stunden Zeit, die man brauchte, um einen Altair 8800
zusammenzubauen. In jenem Morgengrauen, bevor Ap-
ple das Tageslicht erblickte und der Hobby-Computer ein
Konsumartikel wurde, kostete selbst ein Tandy TRS-80
bei Radio Shack mehr als ein neuer Buick, und der billigste
DEC, der PDP-8, war für «nur« achtzehntausend Dollar zu
haben. Owen hielt an dem E-O-Stand Wache und bot ohne
große Überzeugung ein Spiele-Programm an, auf dessen
Entwicklung Ed bestanden hatte. Bei dem Versuch, sich
an den Coup, der der Atari-Gruppe mit Pong gelungen
war, anzuhängen, war er mit einem Designer-Team jünge-
rer Angestellter an Owen vorbeigezogen. Doch Pong selbst
war immer noch ein zweihundert Pfund schwerer Kasten,
in den man in einer Einkaufspassage oder einer Imbissbu-
de einen Quarter stecken konnte, wie bei einem Flipper-
automaten, wenn man spielen wollte. Lediglich eines von
einhunderttausend Privathäusern war mit einem Computer
ausgestattet. Es war schwer vorstellbar, dass Videospiele,
die Ton, Farbe und einen Joystick verlangten, die Zukunft
eines Gerätes darstellten, das im großen Krieg entstanden
war und gegenwärtig für die Armeen der Finanzwelt, der
Industrie und der Wissenschaft Zahlen ausspuckte. Kon-
zernleute in grauen und kalkbraunen Anzügen zirkulierten zwischen den Ständen, wo Computerexperten mit Pferde-
schwänzen in alten Jeans und Flanellhemden saßen. Eine
Generation weiter, und die zweite Uniform würde die erste
als Höhepunkt der Mode unter den Geldleuten verdrängt
haben – Anwälte und Banker kämen dann salopp geklei-
det, um ihre hochgeschätzten Kunden, die Superreichen
der Elektronikbranche, willkommen zu heißen.
    Owen entdeckte Antoinette an dem Stand von Cray
Research, einer neuen Gesellschaft für Hochleistungs-
computer mit Sitz in Chippewa Falls, Wisconsin. Sie hatte
schwarzes Haar, das aussah, als wäre es mit einer Kinder-
plastikschere eilig geschnitten worden, und verbreitete
eine elektrische Aura des Grolls, die Gutes verhieß. Bei
dem feuchtfröhlichen Empfang der neu ins Leben geru-
fenen Association of Electronic Industries der Stadt mach-
te er einen Annäherungsversuch. Sehr schnell, so schien
es ihm, vertraute sie ihm in einer Tirade ihren Groll ge-
gen einen Kollegen an, der in der Hierarchie etwas über
ihr stand und ein «Arschloch» sei, dessen «Scheiß» sie
sich nicht länger bieten lassen wolle. Ihre Wortwahl ließ
den empfindlichen Owen zusammenzucken, ließ jedoch
auf Intimitäten hoffen. Er mäßigte seinen Widerwillen
und sagte sich, dass dies eine leidenschaftliche Frau war,
die wie er in einer Kleinstadt mit Falls im Namen lebte,
und dass sie im Herzen dieses großartigen, freien Landes
einander in die Arme getrieben wurden. Nach dem Emp-
fang fuhren sie mit dem Taxi zu einem viel gepriesenen
Steak House. Sie erzählte ihre Geschichte weiter: «Dieser
arrogante, von sich selbst überzogene Scheißer, Eric heißt
er – und du kannst einfach darauf wetten, dass einer, der
Eric heißt, von sich selbst überzeugt ist-, hat mir

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