Landleben
stattlicher, als es
den Anschein hatte, als sie auf der gedrängt vollen Kirchen-
bank saß. Sie hat das glänzende lange, frei fallende Haar
der Blumenkinder der sechziger Jahre und nordische Ge-
sichtszüge, ein bisschen größer als lebensgroß. Ihre Füße
sind lang und kräftig und stecken in Schuhen mit hohen
Absätzen, die von mehrfach um die Fußgelenke gewunde-
nen weißen Riemchen gehalten werden; ihr blondes Haar
hebt die ungezupften dunklen Augenbrauen hervor und
die schmollenden breiten Lippen, die mit leuchtendem
Korallenrot angemalt sind. Sie hat eine Jahreszeit über-
sprungen und (weil der Sonntag, der sich jetzt bewölkt und
kühler wird, sonnig begann) ein Minikleid mit breiten ho-
rizontalen Streifen in den Farben des halben Regenbogens
angezogen, das überall eng anliegt, so als könnte ihr Körper
ihre Kleidung jeden Moment sprengen. Während Owen
sie verstohlen beobachtet, kommen andere Wainthrops
zu ihr herüber, um das neue Baby zu bewundern und die geschickten kleinen Luftküsse der Reichen zu geben und
zu empfangen. Owen muss weggucken, sein Blick könnte
leicht indiskret werden; hier ist jene rohe große Schönheit,
strahlend wie die Weite einer nackten Mutter in den Au-
gen ihres sprachlosen Sohnes, die sein männliches Herz,
alt wie es inzwischen ist, zu andächtiger Verehrung aufruft:
sich vor ihren Knien hinzuwerfen in reiner heidnischer An-
betung – auf diesem ganz speziell christlichen Boden von
Haskells Crossing.
Wer will die Nächste sein?, hatte Phyllis gefragt, damals, auf
der Sonnenveranda der Slades, und es dauerte geraume
Weile, bis Owen das hätte beantworten können. Er war im-
mer öfter unterwegs, denn die Firma, E–O Data, musste sich
anstrengen, um ihren Platz in einer Branche zu behaupten,
die sich immer mehr zur Westküste hin verlagerte. Schon
1968 war er zu einer Computer-Konferenz in San Francisco
gefahren, um zu sehen, wie ein ehemaliger Radar-Tech-
niker, der Douglas Engelbart hieß, seine Erfindung vor-
stellte, einen mit der Hand zu haltenden «X-Y-Positions-
anzeiger für ein Monitorsystem», der schon bald «Maus»
genannt wurde. In einem neunzigminütigen Vortrag zeigte
Engelbart über einen fünfundzwanzig Meilen entfernt ste-
henden Computer, wie Befehle ohne Textbefehl an einen
Bildschirm ausgegeben werden konnten, der in Fenster
unterteilt war. Owen erkannte, dass dies die Hardware der
Zukunft war; wieder bei E-O, experimentierte er damit,
das X-Y-Prinzip mit dem Lichtstift zu verknüpfen, der im-
mer noch das Werkzeug für CAD, computergestütztes De-
sign, war. Doch ohne eine pixelspezifische Festlegung, die
abhängig war von ausreichender Kapazität des Computers,
um die CRT-Linienanalyse zu speichern und aufzulösen, war er auch bei seinem zweiten Neuentwurf von DigitEyes
(DigitEyes 2.2) noch auf den Lichtstift angewiesen, der
direkt auf den Bildschirm gehalten wurde, um eine X-Y-
Adresse zu vermitteln. Die Vergrößerung oder Drehung
eines skizzierten Vektorbilds erforderte immer noch eine
Reihe numerischer Linienbefehle. Die Geschwindigkeit
und Genauigkeit der Grafiken waren phantastisch, und
sowohl Vergrößerungen wie auch Verkleinerungen auf 10
hoch 3 waren möglich, doch die Methoden waren immer
noch an eine alphanumerische Maschinensprache mit dem
dazugehörenden umständlichen Handbuch gebunden.
1974 dann, im Palo Alto Research Center, oder PARC,
das der Xerox Corporation gehörte, ein Förderprogramm,
das dazu beitrug, die Forschung eher auf Massenmarktpro-
dukte als auf militärische oder wirtschaftliche Problemlö-
sungen auszurichten, sah Owen, auf dem PARC Alto, seine
erste echte grafische Benutzerschnittstelle. Ihm wurde das
Herz schwer: Die Schnittfläche mit ihren von der Maus ma-
nipulierten Icons und ihrer schematischen Imitation eines
gewöhnlichen Desktops verwies alle technischen Anwei-
sungen an das verdeckte Programm. Der Operator beweg-
te lediglich einen Indikator auf dem Bildschirm mit seiner
Maus und zog Icons oder markierte Textblöcke herunter
und verschob sie. Die Tage der Befehlslinien-Fläche waren
vorbei. Die geometrische Zunahme von Chip-Kapazitäten
bedeutete, dass jedes Pixel auf dem Linienanalyse-Moni-
tor seine Adresse haben konnte – Koordinaten, die durch
eine einfache Handbewegung in lautlosen Rechner-Stür-
men, zusammen mit all den anderen Pixeln in dem Icon
oder dem Textblock, an die nächste Stelle geschleudert
wurden. Der Erfinder, ein Wissenschaftler am PARC mit
dem
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