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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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sogar die Werbung an-
starrt.»
    Phyllis sagte: «Ich wüsste gern, ob die jungen Leute so
rebellisch sind, weil wir so dumm geworden sind. Wollen
sie deswegen zurück zur Natur oder Banken in die Luft
sprengen? Sie versuchen, die Schale der Dummheit der
Menschen aufzubrechen.»
    «Danke, Alissa», sagte Owen, als die Gastgeberin ein an-
genehm hohes Glas mit dickem Boden, gefüllt mit Eiswas-
ser, vor ihn hinstellte, an dessen Äußerem, des Wärmeun-
terschieds wegen, Wassertropfen hinunterperlten. War es
ein Zufall, dass Alissa ihm, als sie sich zu seinem Platz hin-unterbeugte und einen Untersetzer unter sein Glas schob,
in dem Rund des lockeren Ausschnitts ihrer Bauernbluse
ihre Brüste zeigte? Die Ansätze waren braun, aber tiefer im
Schatten war auch weiße Haut, und dazwischen war eine
dunkle Höhle, in die er mit dem Finger oder mit der Zun-
ge fahren oder in die er seinen erigierten Penis schieben
könnte. Am Heron Pond trugen Phyllis und Alissa beide
zweiteilige Badeanzüge, doch während der von Phyllis ih-
ren aufrechten Körper mit zwei weißen Bändern streifte,
bestand Alissas Bikini ganz aus fest anliegenden Bögen
und kleinen, gestrafften Dreiecken, die mit Schleifen aus
buntem Band gesichert waren.
    Ian gab sich keine Mühe, Phyllis zu antworten, was Owen
kränkte. In seinem ramponierten karierten Ohrensessel,
der fleckig auf den Armlehnen war und ebenso schmud-
delig da, wo er gewöhnlich den Kopf anlehnte – das fettige
lange Haar einer Künstlermähne –, hielt Ian den frischen
Drink mit seinen gelben Fingern umfasst und sprach mit
Owen, ohne sich herabzulassen, den Kopf zu wenden, so
als wären die beiden Frauen auf dem Sofa nicht da. Sein
ziegenbärtiges Profil, kalkblass, schnarrte wie in Trance.
«Ihr Nerds, ihr presst den Saft aus dem Leben. Für euch
sind wir alle nichts weiter als statistische Konstrukte, die
man manipulieren kann. Ich mache Ed keine Vorwürfe,
er kann nichts dafür, der arme Kerl, dass er ein Nerd ist;
wäre er kein Nerd, dann wäre er gar nichts, oder vielleicht
würde er Schnellgerichte in einem die ganze Nacht geöff-
neten Diner kochen. Aber du, O., alter Knabe, du weißt
es doch besser. Du hast doch eine Seele – oder hattest mal
eine. Lass es mich so sagen – du weißt, dass etwas fehlt,
und trotzdem hast du dich verpflichtet, ein guter Soldat
für den Moloch. Wie immer du es nennen willst: Industrie. Verteidigungs-Establishment. Verteidigung, Tod, Umwelt-
verschmutzung – und in Massen produzierter Scheiß für
die beschissenen Massen.»
    «Also», sagte Owen, der sich freute, wie der andere sich
in Feindseligkeiten verstieg, und sich dabei ausrechnete,
dass er immer weniger Grund hatte, auf Ian Rücksicht zu
nehmen und nicht seine Frau zu ficken, «im Moment dreht
sich ein Großteil unserer Arbeit darum, Versicherungsunter-
lagen auf Bändern zu speichern oder, die neuere Methode,
auf Disketten, und Systeme für Krankenhäuser zu entwi-
ckeln, die den Papierkram verringern helfen. Oder gehö-
ren Krankenhäuser und Versicherungsgesellschaften auch
zu den Armeen des Molochs? Ian, was fehlt, fehlt schon
seit langem, das fing bei Kopernikus und Martin Luther an,
und du kannst die Technik nicht dafür verantwortlich ma-
chen, dass sie es nicht zurückbringt. Die Technik arbeitet
mit dem, was, wie Wittgenstein sagt, der Fall ist. Neben-
bei, man könnte auch sagen, dass die Frauenzeitschriften,
für die du deine Illustrationen machst, gute Soldaten für
den Moloch sind, weil sie Kosmetika und Tampons und
Spülmaschinen und sexy Unterwäsche verkaufen und was
man sonst Frauen an Bedürfnissen einreden kann. Es ist
der Pakt mit dem Teufel, Ian – Medizin und Elektrizität
und Raumfahrttechnik, und im Austausch dafür ein leerer
Himmel. Wir haben uns alle auf diesen Pakt eingelassen,
und eine Horde junger Leute, die sich nach Vermont zu-
rückziehen und auf Wasserklosetts verzichten, ändert dar-
an gar nichts.» Er fragte sich, warum er sich so erregte; er
wollte das alles nicht glauben. Er wollte die Technik und
wollte auch Illusionen haben: Beides waren die mildern-
den Früchte menschlicher Imagination.
    Phyllis sagte zu seiner Unterstützung: «Owen ist nicht           gegen Kunst, er geht dauernd in Museen. Und bei Digit-
Eyes ging es doch auch darum, in sublimierter Form.»
    Owen zuckte bei der Vergangenheitsform zusammen.
Phyllis hatte Recht: Das Programm war veraltet, er war
beim Aktualisieren stecken geblieben und suchte tastend
nach Neuem. Das

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