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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ver-
langte, trug sie ihres, das tabakbraun war, mit künstlichen
hellen Strähnchen, kurz geschnitten und zurückgebürstet,
als brauste sie auf einem Motorrad dahin. Sie trug eine
Brille mit einem fleischfarbenen Plastikgestell, sogar wenn
sie faulenzend am Teich lag; ihre Augen, mattblau, ausge-
laugt wie oft gewaschener Jeansstoff, wanderten öfter, fand
Owen, als es streng genommen seinem Anteil entsprach, in
seine Richtung. Männer waren am Heron Pond ein selte-
ner Anblick. Wenn Alissa über etwas, das er sagte, lächelte,
umfing ihn ihr Lächeln; es war, als könnte sie seine Ge-
danken lesen, als wüsste sie von dem trüben Ereignis mit
Stacey und von dem klaren Entschluss, der darauf gefolgt
war. Er war zu haben.
    An einem Abend, an dem sie alle bei den Morrisseys zu
viel getrunken hatten, Silvester vielleicht, in der konfusen
Schlussstunde nach Mitternacht, waren sie sich zufällig
oben im Flur begegnet – sie sah nach einem fiebernden
Kind, und er wollte urinieren, und die einzige Toilette un-
ten ging von Ians Atelier ab, zu dem der Zugang verboten
war. Ian beharrte strikt und humorlos darauf, auch Gäste
durften sein Atelier nicht betreten. Wie Planeten, die von
ihrer Umlaufbahn abgekommen waren, hielten Owen und
Alissa aufeinander zu und küssten sieh. Sie presste so hart,
dass ihre Zähne aneinander schlugen; er war verdutzt, wie
er es vor Jahren gewesen war, als Alice Stottlemeyer ihn ge-
küsst hatte. Aber hier wurde nicht mehr Flaschendrehen ge-
spielt. Von dem Champagner der Silvesterfeier enthemmt,
erregt von ihrem Party-Aufzug, einer durchsichtigen Bluse
und kirschroten Haremshosen, ließ er seine rechte Hand in ihren Hosenbund gleiten und legte sie einen Moment auf
ihren Spalt. Sie machte einen Satz zurück, als hätte sie sich
verbtüht. «O nein, so nicht», sagte sie im gestrengen Ton
einer Ballsaal-Gastgeberin, wie sie von Barbara Stanwyck
oder Ann Sheridan in einem Schwarzweißfilm im längst
verlorenen Scheherazade gespielt worden war. Alice war
vielschichtig – alle Frauen waren vielschichtig, entdeckte
er, der Trick bestand darin, die Schicht zu finden, wo man
willkommen war.
    Die Morrisseys hatten oft Gäste, ein sicheres Zeichen für
eheliche Spannungen: Sie brauchten andere Menschen, die
ihnen halfen, sich gegenseitig zu ertragen. Ian Morrissey,
zehn Jahre älter als Alissa, war Zeitschriftenillustrator. Als
die Welt der für die Mittelschicht gemachten Zeitschriften,
die Illustrationen brauchten, schrumpfte, war er trübsinnig
und sarkastisch geworden. Die Jahre hatten ihn schneller
ergrauen lassen, als das bei einem Mann von wenig über
vierzig hätte sein sollen, und ihm zittrige, von Tinte und
Nikotin verfärbte Finger gegeben sowie eine krumme
Haltung und eine eingefallene Brust. Er hatte sich die Vor-
stellung zu Eigen gemacht, dass seine Berufswelt, in der
flott und glamourös dargestellte Frauen Liebesgeschichten
illustrierten, die immer gut ausgingen, sensationellen Do-
kumentarberichten weichen musste, mit Fotos, die mit der
Spritzpistole zu um Haaresbreite pornografischen Bildern
retuschiert wurden, während Owen und Ed auf einer tech-
nologischen Welle immer weiter nach oben gelangten. Er
bezeichnete sie spöttisch als «Nerds». Owen versuchte ihm
klar zu machen, wie unbeständig und risikoreich die sich
rapide verändernde Computerwelt war und dass er und Ed
sich einer immer jüngeren und innovativeren Konkurrenz
gegenübersahen, doch es hatte sich in Ians Kopf verfestigt, dass er eine aussterbende Kunsttradition verkörperte, die
durch einen Ansturm von Rockmusik, Industrierobotern
und psychopathischer Gewalt auf brutale Weise erstickt
wurde. Er hatte sich einen stoppeligen Ziegenbart wach-
sen lassen, mit dem er unrasiert aussah, und kleidete sich
nachlässig wie ein Versager.
    «Was ihr Nerds nicht kapiert, nicht im Entferntesten
mitkriegt», sagte er eines Abends zu Owen, «ist, dass eure
grässlichen Maschinen nicht übermenschlich, sondern un- menschlich sind. Alles, was uns zu Menschen macht, geht
in die Brüche.»
    «Es sind nur Geräte», sagte Owen in dem Bemühen,
freundlich zu sein, während er Alissas Blick beharrlich auf
sich gerichtet spürte. «Wie Hunderte von anderen – die
Dampfmaschine, das Auto, die Filmkamera.»
    «Ja, und sie alle haben unser Tempo verändert – es so
weit beschleunigt, dass wir nicht mehr richtig leben.»
    «Was machen wir denn dann, Ian?», fragte Phyllis. Sie
waren die einzigen Gäste bei einem zwanglosen Abendes-
sen in

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