Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
seinem zwölften Geburtstag lernte der älteste Sohn einen uralten Kleinstlaster der Marke Ape zu fahren. Fortan wurden die kleineren Kinder morgens auf die Ladefläche gesetzt und sie tuckerten den Weg hinauf zum Friedhof. Dort wartete der Schulbus. Mittags kamen die Kinder dann wieder mit ihrer Ape nach hause.
Irgendwann löste sich die Kommune auf. Die anderen Familien suchten sich eigene Ruinen in der Umgebung.
Geblieben sind Monique und Luigi. Geblieben sind auch romantische weite Kleider und abgeschnittene Jeans. Geblieben ist auch das harte Leben als Aussteiger. Sie ernten Oliven von mehr als 300 Bäumen, schlagen monatelang Holz, um es zu verkaufen, machen einen wunderbaren Käse aus der Ziegenmilch und verkaufen eben auch Fleisch. Reicht das Geld nicht, schlagen sie sich mit Gelegenheitsjobs durch. Neu sind nur die Strom- und Wasserleitungen.
Die Kinder sind erwachsen und basteln eifrig an sehr bürgerlichen Karrieren als Ingenieur, Dolmetscher und Historiker, um… ja, um was?
Um dieser Idylle zu entkommen?
Es ist lustig, diese verdrehte Welt zu beobachten. Während wir uns immer wieder gerne die alten Geschichten über unsere spießigen Eltern erzählen, beklagen sich hier die Kinder über ihre flippigen Mütter und Väter.
Vater langhaarig, Sohn mit gegeltem Kurzhaar.
Mutter in Pumphosen. Tochter im Businesskostümchen.
Eltern ohne Strom und Wasser, Kinder mit IPad und Laptop.
Die Alten im zerbeulten Panda, die Kinder im Mercedes.
Die Erzeuger verbessern nach wie vor bei Kerzenschein und mit viel Rotwein die Welt, die Kinder nippen am Mineralwasser und twittern über lohnende Flugziele.
Die Eltern hocken in ihrem malerischen Sperrmüll-Sammelsurium, die Kinder sehnen sich nach der Designer-Einkauküche.
Viele dieser jungen Leute ziehen weg in große Städte. Und wenn sie heiraten, sind es die Eltern, die sich „ordentliche“ Kleidung leihen, um ihre Kinder weder zu beleidigen noch zu provozieren.
Auf dem Heimweg haben wir noch unsere Motorsäge in der Werkstatt abgegeben. Diese Hightech-Geräte sind aber auch piepelig heutzutage. Sie verweigern ihren Dienst, nur weil man die Tanks für Öl und Benzin verwechselt hat. Auch der Fachmann war voller Verständnis und sehr lieb. Er behauptete, das passiere vielen, vielen Menschen. Na ja.
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Wir sind wirklich blöd . Zumindest stellten wir uns wenig intelligent bei der Suche nach unserem zweiten Grundstück an. Wir wussten, dass uns irgendwo noch einmal vier Hektar gehören. Beim Kauf des Hauses waren wir zu überwältigt von den Wiesen rund ums Haus, dem steil abfallenden Wald, der Quelle, einem verwilderten Olivenhain und einem vor 100 Jahren mal gepflegtem Weinberg, um zu reagieren, als der Schweizer von einem weiteren Gelände erzählte. Lust, es uns zu zeigen, hatte er auch nicht.
Doch jetzt, bei dem Dauerregen, studierten wir die Auszüge aus dem Katasteramt im 45 km entfernten Grosseto, zogen Gummistiefel und Regenjacken und marschierten los.
Es war gar nicht so weit entfernt. Vielleicht einen Kilometer. Wir schlugen uns rechts von einem Weg in die Büsche. Vorausschauend hatten wir eine Machete dabei und bahnten uns einen Weg durch Brombeeren und Unterholz. Plötzlich, auf einer kleinen Lichtung mit Blick zum Meer, ein viertelfertiger Rohbau im Dornröschenschlaf. Phantastisch! Warum hatte der Schweizer nichts davon gesagt? Egal. Unter einer Plane stapelten sich Zementsäcke, Ziegel waren ordentlich aufgeschichtet und ein Schlauch führte zu einer 200 Meter entfernten Wasserleitung.
Wir planten, wir diskutierten und hatten - gedanklich - den Bau vollendet und natürlich gewinnbringend verkauft. Ich überlegte schon, welche Büsche wir anpflanzen, wie wir die Küche möblieren und welche Wiesenblumen wir in einer Vase auf dem Tisch drapieren, um möglichen Käufern ein gemütliches Heim zu präsentieren.
Zwei Tage später erzähle ich der Bäckerin im Dorf von unserer Entdeckung. Gottlob kam ich nur bis „ein Rohbau, hinter dem Holzsammelplatz, ein Stück weiter, rechts …“.
Knapper Einwurf: „Das gehört uns.“
Drei Worte machten unseren Traum zunichte. Nix mit Wiesenblumen auf dem Tisch.
Entschädigt hat uns ihre Geschichte.
Vor Jahren war ein junger Österreicher aufgetaucht und hatte in einer Bar gefragt, ob irgendwo eine Ruine zu verkaufen sei. Das war damals durchaus üblich. Fast jeder Dorfbewohner hatte
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