Landnahme
Geruch wichtig. Wenn ein Mann nach Mann riecht, dann hast du die Hand im Goldtopf.«
»Wenn er nach Mann riecht? Du meinst, wenn er stinkt?«
»Nein. Das ist etwas anderes. Obwohl einer stinken kann und trotzdem nach Mann riechen. Nein, ich meine diesen ganz bestimmten Duft, den man nicht beschreiben kann. Irgendetwas, das nach Kraft und Entschlossenheit riecht. Nach Mann eben. Das musst du allein herausbekommen. Und dann sind die ruhigen Männer besser als die lauten, denn die machen nur Getöse. Sie sprechen laut, drängen sich überall in den Vordergrund und haben so ein Chefgehabe. Wenn sie reden, muss der ganze Saal mithören, was sie Wichtiges zu sagen haben. Das ist nichts fürs Bett. Die brauchen Anerkennung, die können dich nicht lieben, die lieben allein sich und sind so ängstlich, dass sie sich überall bestätigen müssen und darum so laut sind. Wenn so ein Krakeeler auftaucht, ob er siebzehn ist oder fünfzig, lass ihn einfach weiterlaufen. Aber bei den ruhigen Typen solltest du genauer hinsehen. Wenn sie dir nicht ins Gesicht sehen können vor lauter Verlegenheit oder maulfaul sind oder nicht gesprächig, weil sie einfach nichts im Kopf haben, dann sind es mit Sicherheit Luschen, die lässt du vorbei. Wenn dich so ein Schweiger anschaut, so einer, der kein Wort zu viel sagt und den Blick von dir nicht wegnimmt, bis es bei dir kribbelt, dann solltest du mal seinen Duft schnuppern, das könnte dann etwas sein. Die ruhige Kraft und der Geruch nach Mann, das ist es, Kleine.«
»Und Bernhard? Der ist so ein Mann?«
»Es kommt jedenfalls alles bei ihm zusammen.«
»Er ist mit Rieke zusammen. Meine Schwester kratzt dir die Augen aus, wenn du ihn ihr wegnimmst.«
»Wer will ihn ihr wegnehmen? Ich will etwas an ihm schnuppern, das ist alles.«
»Und er ist jünger als du. Er ist drei Jahre jünger.«
»Ja. Das macht es so reizvoll, Kathi.«
Und dann lachte sie wieder, und ich wusste wieder nicht ganz genau, woran ich bei ihr bin. Bei ihr war ich nie sicher.
Zwei Tage später hatte sie ihn um den Finger gewickelt. Ich bekam alles hautnah mit, da ich mit Babsy befreundet war und mit Rieke in einem Zimmer wohnte. Und ganz so, wie ich es gedacht hatte, wollte Rieke einer Person die Augen auskratzen, doch das war nicht Babsy, vor ihr hatte sie zu viel Respekt, und es war auch nicht Bernhard, was ich verstanden hätte. Am liebsten wollte Friederike mir die Augen auskratzen, was ich nun wirklich nicht verstehen konnte, denn von meiner Geschichte mit ihrem Bernhard wusste sie nichts, und dass er sich von Babsy hatte wegangeln lassen, dafür konnte ich nichts. Und genau das sagte ich ihr auch, aber sie war auf mich wütender als auf Bernhard und Babsy zusammen. Irgendwann sagte ich ihr, sie kann sich meinetwegen am kleinen Finger lutschen, und zog für die nächsten Tage in die winzige Dachkammer hoch, um mir nicht noch mitten in der Nacht ihr Gejammer anhören zu müssen.
Ich weiß nicht, wie es Babsy gelang, Bernhard für sich zu gewinnen, andererseits hatte sie die ganze Stadt bezirzt, und da war Bernhard für sie das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Verwundert war keiner, dass sie mit einem Jungen aus unserer Stadt etwas anfing, überrascht war man nur, dass es Bernhard war. Die meisten hatten gewiss gedacht, sie würde sich einen großen Schönling nehmen, von denen es einige bei uns gab und die allesamt bei ihr anstanden. Die waren wohl zu laut für Babsy oder hatten nicht den Geruch,von dem sie mir erzählt hatte und den ich erst ein paar Jahre später richtig begriff. Dass sie ihn meiner Schwester weggenommen hatte, wussten natürlich alle, aber ich habe nie ein böses Wort darüber gehört, außer von Rieke natürlich. Alles, was Babsy machte, fand man in unserer Stadt offenbar in Ordnung. Meine Schwester verlangte von mir, dass ich mich nie wieder mit ihr treffe oder dass ich ihr zumindest gehörig die Meinung sagen soll, das lehnte ich ab. Ganz im Gegenteil war ich stolz darauf, dass ich Babsys Freundin war und sie, wenn sie Zeit hatte, mit mir durch die Stadt lief. Ich bin sogar zweimal mit den beiden zum Tanz ausgegangen, mit Babsy und Bernhard. Darüber war meine Schwester besonders empört, und ich habe es genossen, denn Bernhard gehörte ja irgendwie uns allen dreien, auch wenn das nur er und ich wussten.
Als ich mit ihnen ins Kurhaus gegangen war und Bernhard mich zu einem Tanz aufforderte, sagte ich zu ihm: »Es bleibt alles in der Familie, nicht wahr, Bernhard?«
»Was meinst du?«
»Na,
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