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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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ich nicht ein. In einen Warmluftballon kann man nicht einsteigen, Kathi. Höchstens in die Gondel, und die ist so klein, da passt gerade mal der alte Manolow rein, und er muss seinen Bauch einziehen. Bernhard und ich reisen auf den Trapezen mit.«
    »Was soll das denn sein?«
    »Das haben die früher auch so gemacht. Zwei Trapeze auf beiden Seiten, und darauf saßen die Leute, die nicht in die Gondel reinpassten.«
    »Du meinst, du fliegst unter der Gondel? An einem einfachen Trapez? Und was ist, wenn du dich nicht halten kannst?«
    »Was soll dann schon sein! Dann fliege ich dir entgegen, mein Schatz. Und ich hoffe, du fängst mich auf, dass ich nicht auf meinen süßen Hintern falle.«
    »Du spinnst, Babsy. Das wird die Polizei nie erlauben.«
    »Die werden wir gerade fragen. Kommst du am Sonntag? Morgen machen wir eine Generalprobe auf Manolows Hof. Wir pusten den Ballon auf, um zu sehen, ob alles dicht ist. Und übermorgen fahren wir den ganzen Krempel mit dem Pferdewagen zur Obermühle hoch. Und dann geht es in die Luft. Sonntag Punkt zehn, da kannst du deine Babsy von unten bewundern.«
    »Du bist völlig verrückt. Und Bernhard fliegt auch? Auch auf dem Trapez?«
    »Der weiß nichts von seinem Glück. Ich habe ihm nichts erzählt.«
    »Er ist nicht so irre wie du.«
    »Ihm bleibt nichts anderes übrig. Es müssen immer zwei auf den Trapezen mitfliegen. Keiner oder zwei, weil sonst die Gondel kein Gleichgewicht bekommt. Also muss er mit. Oder du, Kathi.«
    »Da kannst du lange warten. Ein paar Jahre will ich noch leben.«
    Am Sonntag konnte ich erst um elf auf der Wiese bei der Obermühle sein, da ich in der Waschküche der Witwe eine Überschwemmung verursacht hatte und unter ihrem giftigen Gezeter die heiße Seifenbrühe aufwischen musste. Der Ballon war schon mächtig dick, als ich ankam, ich sah ihn bereits von der Tankstelle aus und beeilte mich, damit ich rechtzeitig da war. Außer Manolow und seinem Nachbar Becker sowie Babsy und Bernhard waren nur Kinder auf der Wiese, die dem Treiben zuschauten. Manolow hatte so eine Art Bunsenbrenner in der Hand, den er in die Öffnung des Ballons hielt, um die Luft aufzuheizen, während Becker die Propangasflasche regulierte. Der Ballon wurde mit Stricken gehalten, die an Zeltheringe geknüpft waren und von Babsy und Bernhard, die unentwegt um den Ballon herumrannten, immer wieder in die Erde geschlagen werden mussten, da der nach oben treibende Ballon sie herauszureißen drohte. Die Gondel lag neben dem Ballon. Es war ein altes wurmstichiges Korbgeflecht, in dem ich nicht einmal Blumentöpfe transportieren würde, so verrottet, wie das aussah. Nichts in der Welt konnte mich bewegen, in einen solchen Korb zu klettern und in ihm durch die Luft zu fliegen. Neben dem Korb lagen zwei runde Holzstäbe, das sollten wahrscheinlich die Trapeze sein, sie waren offensichtlich vom Bauern selbst mit der Axt zurechtgehauen. Ich konnte es nicht fassen, dass Babsy diesem verrückten alten Bauern vertraute und mit ihm in die Luft gehen wollte. Babsy rief mir zu, ich solle ihnen helfen, und so rannte ich mit ihnen um den Ballon herum, um die Heringe zu kontrollieren. Einer dieser kleinen Metallstifte wurde in dem Moment, alsich ihn fassen wollte, aus der Erde gerissen und flog haarscharf an meinem Kopf vorbei. Ich konnte gerade noch das Seil greifen, und Manolow schrie, ich solle es mit aller Kraft festhalten, was ich auch tat. Wenn der Ballon mich nur einen Zentimeter hochhebt, das schwor ich mir im Stillen, werde ich ihn sofort loslassen, denn ich hatte keine Lust, eine Luftnummer abzugeben.
    Eine halbe Stunde später stieg Manolow in den Korb und gab uns Anweisungen, in welcher Reihenfolge die Halteseile zu lösen sind. Dann stieg er mit dem Ballon auf. Als Becker das letzte Seil losließ, riss der Ballon mit einem plötzlichen Ruck den Korb in die Höhe, so dass Manolow umkippte und fast herausgefallen wäre. Der Ballon wurde von einem einzigen langen Seil gehalten, das Becker und Bernhard langsam durch die Hände gleiten ließen, um den Ballon sanft aufsteigen zu lassen. Als Manolow zwei, drei Meter über der Wiese schwebte, trieb der Ballon in Richtung des Schleifbachsees, und Becker und Bernhard hatten zu tun, um ihn zurückzuhalten. Nach einigen Minuten fuchtelte Manolow mit beiden Armen und verlangte, dass sie ihn herunterholten, er wollte keine Luft ablassen, sondern heruntergezogen werden. Die beiden Männer zogen ihn so vorsichtig herunter, dass der Korb gemächlich auf

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