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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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einige Meter zum Friedhof hinüber und bewegte sich nach einigenMinuten wieder zum Sportplatz. Jetzt konnte ich von unten die Hände Manolows sehen, der sich am unteren Teil des Ballons zu schaffen machte. Sehr langsam kam der Ballon herunter. Er schaukelte heftig, und Babsy und Bernhard hatten erkennbar Mühe, sich an den Seilen festzuhalten und nicht von ihren Holzknüppeln herunterzurutschen. Manolow entzündete nochmals den Bunsenbrenner, hielt ihn für ein paar Minuten hoch, er wollte den Sinkflug des Ballons verlangsamen. Jetzt schien der Ballon genau in der Mitte des Sportplatzes zu landen, Manolow musste irgendeine Möglichkeit haben, ihn zu lenken, obwohl ich es mir nicht vorstellen konnte, wie er diesen unförmigen riesigen Ball steuern konnte. Die Spieler waren an die Holzbarriere gegangen, hinter der die Zuschauer standen. Alle starrten nach oben, einige riefen Manolow etwas zu, aber die meisten redeten über die Unterhose von Babsy, die leuchtend rot zu sehen war unter ihrem weißen Kleid, jedenfalls sprachen die Leute, an denen ich vorbeilief, über ihr Höschen und lachten. Der Schiedsrichter schimpfte über den Spielabbruch und sprach von einer Anzeige, er war nicht aus unserer Stadt, er kam von außerhalb. Als der Korb drei oder vier Meter über dem Sportplatz schwebte, wanderte der Ballon plötzlich in Richtung Kurhalle. Manolow riss aufgeregt an den Seilen, um die Fahrtrichtung zu ändern und schrie Bernhard an, er solle das Halteseil ausklinken und hinabwerfen, damit man von unten den Ballon zurückhalte. Bernhard klammerte sich mit beiden Händen an die Seile des Trapezes. Er wagte es nicht, eine Hand zu lösen, um das Halteseil aus der Öse über seinem Kopf zu lösen. Manolow fluchte und ließ hastig Luft ab. Der Ballon sackte schneller. Als die Füße von Babsy und Bernhard einen Meter über dem Erdboden schwebten, befahl Manolow ihnen abzuspringen, was sie sofort taten. Im gleichen Moment machte der Ballon einen Satz nach oben. Manolow ließ weiter Luft ab, er zog hastig an der Leine des Ventils, um auf dem Sportplatzzu landen, der Ballon sank, dann setzte der Korb unmittelbar vor einem der Fußballtore auf, wurde weitergerissen, und ehe der Ballon sich in den Bäumen verfing, war das Tor von den Ballonseilen aus seiner Verankerung gerissen und wurde mit dem Korb mitgeschleppt und zerstörte einen Teil der Holzbarriere, die die Zuschauer vom Spielfeld trennte. Alle rannten zu Manolow, der aus dem Korb geschleudert worden war und auf der Aschenbahn lag. Ich ging zu Babsy, die auf und ab hüpfte und mich stürmisch umarmte, als ich bei ihr war.
    »Es war herrlich«, sagte sie, »am liebsten würde ich gleich noch einmal in die Luft gehen. Ach, Kathi, du weißt gar nicht, was du versäumt hast. Die ganze Stadt habe ich gesehen, ich konnte alle Dörfer erkennen. Und dein Haus habe ich gesehen. Das ist einmalig.«
    Sie küsste mich, dann lief sie auf Bernhard zu, um ihn zu umarmen. Er war ganz weiß im Gesicht.
    »War das nicht herrlich?«, fragte ihn Babsy.
    »Ja. Mir ist zum Kotzen schlecht. Eine Minute länger, und ich hätte wirklich gekotzt.«
    Babsy lachte und fragte, wo Manolow sei. Ich zeigte auf die Leute, die um ihn herumstanden. Es schien, als ob irgendetwas passiert sei, und wir gingen zu der Gruppe und drängten uns zu Manolow durch. Er lag auf der Erde und rieb sein Bein. Ein Mann mit einer kleinen Sanitätertasche kniete neben ihm und tastete sein Bein ab. Manolow schrie auf und sagte, er solle das sein lassen, sonst würde er ihm eine Ohrfeige verpassen. Als er Babsy erblickte, strahlte er.
    »Na, mein Mädel, habe ich dir zu viel versprochen?«
    »Nein«, rief Babsy, beugte sich zu ihm herunter und küsste den Alten auf den Mund.
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte sie dann, »haben Sie sich etwas getan?«
    »Ach was. Dieser Kerl spielt sich hier als Arzt auf, dabei ist er ein lausiger Sanitäter. Nimm deine Finger von mir, Karl.«
    »Es muss geschient werden«, beharrte der Sanitäter, »ich vermute, du hast dir einen Knochen gebrochen.«
    »Na, und wenn schon. Gebrochene Knochen habe ich genug, da kommt es auf einen mehr auch nicht an. Es gibt keine Ballonfahrer ohne gebrochene Knochen. – Na, und du, Mädel? Alles in Ordnung?«
    »Wunderbar. Ich könnte sofort wieder mit Ihnen aufsteigen, Herr Manolow.«
    »Na, das wird wohl nichts. Nicht so bald. Jetzt muss ich erst den Knochen kurieren. Aber dann, Mädel! Besuch mich dann wieder. Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Ich war seit

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