Landnahme
leben.«
»Das sind Hirngespinste.«
»Meinst du einen von uns damit? Glaubst du, irgendeiner von uns hat irgendetwas damit zu tun?«
»Nein. Das glaube ich nicht.«
»Na, dann vielen Dank auch«, sagte Parlitzke sarkastisch, »wenn du für deine Anschuldigungen Beweise hast, leg sie vor. Wenn du dir deine ungeheuren Unterstellungen bloß einbildest, dann überlege dir beim nächsten Mal, was du sagst. – Machen wir für heute Schluss. Mir ist der Spaß vergangen.«
Wir haben Haber nicht aus dem Klub ausgeschlossen, und Beuchler erschien, wie er es angekündigt hatte, nie wieder bei uns. Wir haben es bedauert, andererseits besaßBeuchler keine Werkstatt mehr, denn er arbeitete nach dem Brand als einfacher Tischler in der volkseigenen Möbelfabrik in Eilenburg, und da unser Klub allein Selbstständige aufnahm, wäre sein Verbleiben über kurz oder lang für alle störend gewesen. Unser Kegelklub war sozusagen der heimliche Unternehmerverband von Guldenberg, und was sollte da ein Angestellter, der uns nichts helfen konnte und dem wir nicht nützlich waren. Jedem das Seine und jeder an seinen Platz, das wusste auch Beuchler und ist vielleicht deshalb bei uns nicht mehr aufgetaucht. Schließlich ging es uns nicht darum, zusammen ein paar Kegel umzuhauen, wir hatten uns abzustimmen, um der Stadtverwaltung gegenüber nachdrücklicher auftreten zu können und Druck zu machen, und gelegentlich hatten wir Erfolg. Natürlich konnten wir mit dem Bürgermeister nicht über die unverschämten Steuern reden, die jeden von uns dazu nötigten, ab und an ohne eine Rechnung zu arbeiten, wenn er nicht Bankrott gehen wollte, denn die Verwaltung lebte zwar von unseren Steuern, aber hatte keinerlei Einfluss darauf, was wir abzuführen und sie zu erhalten hatten. Bei den städtischen Bauvorhaben meldeten wir uns stets zu Wort, und da wir uns zuvor geeinigt hatten, blieb das immer häufiger nicht folgenlos für die Planung. Nach der jahrelangen Diskussion um die Erneuerung der Straßendecke Siedlung, Vorwerk und Schwarzer Berg haben wir uns sogar gegen die Genossenschaft durchsetzen können, deren Wünsche ansonsten immer berücksichtigt wurden. Und wenn der Bürgermeister damals in der Ratsversammlung auch empört tönte, dass Guldenberg keine Industrie- und Handelskammer benötige, womit er unseren Kegelklub der Aufrechten meinte, er musste sich dem Mehrheitsbeschluss fügen.
Unser Klub war der Partei ein Dorn im Auge, wie wir von Wessenburg wussten, dem der Heimatverlag und die Druckerei gehörten und der in die Partei eingetreten war, als er den Betrieb sechs Jahre nach dem Krieg von seinem Vaterübernommen hatte und es Schwierigkeiten bei der erneuten Lizenzerteilung durch die Besatzungsmacht gab. Wessenburg erzählte uns, dass man uns als feindlich gesinnte Organisation betrachte, über die er der Parteigruppe regelmäßig Bericht erstatten musste. Immer, wenn er meinte, dass wieder einmal ein Bericht fällig sei, setzten Pichler und ich uns gemeinsam mit ihm hin und diktierten ihm, was er seinen Genossen erzählen solle. Pichler war irgendwann einmal in die Bauernpartei eingetreten, weil er, wie er sagte, seine Ruhe haben wollte und man ihm in dieser Partei bestimmt nicht erklären würde, wie er ein Hotel und eine Gaststätte zu führen hätte, und er galt in seiner Parteigruppe als Experte für Buchführung und musste daher den Posten des Kassenwarts übernehmen. Pichler kannte sich aus mit Parteiberichten und wusste, was man von Wessenburg erwartete. Wenn der Bericht zu positiv ausfiel, protestierte er und formulierte dann irgendwelche Bedenken gegen unseren Klub, die Wessenburg aufzuschreiben hatte, die jedoch für uns keine Folgen hätten, wie er versicherte, lediglich die Information glaubwürdiger machen würden. Wenn Wessenburg uns schließlich seinen Bericht vorlas und es mir bei manchen Formulierungen mulmig wurde, lächelte Pichler zufrieden und sagte, das sei jetzt die richtige Mischung, damit könne sich Wessenburg sehen lassen. Und so kam es dann auch. Wessenburg erhielt dann von seiner Partei Anweisungen, wie er bei uns auftreten und wie er unseren Klub beeinflussen solle, und im nächsten Bericht verfassten wir ein paar Erfolgsmeldungen, wobei Pichler darüber wachte, dass Wessenburg stets nur einen Teilerfolg vermeldete und selbstkritisch anmerkte, was ihm noch nicht gelungen sei und woran er in unserem Klub weiter arbeiten müsse. So hatte die Partei den Eindruck, über alles informiert zu sein, wir konnten
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