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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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zurückkommen konnten oder plötzlich Oma zu uns kam, weil sie mir ein Mittagessen kochen wollte. Ich stellte mir vor, wie Bernhard splitternackt in der Wanne saß und einer von denen an der Tür klingelte.
    Bernhard merkte, dass ich zögerte und unschlüssig war, und sagte: »War so ein Gedanke, Marion.«
    Ich schüttelte den Kopf: »Nein, du musst dich etwas gedulden. Eine halbe Stunde dauert es, ehe das Wasser warm ist.«
    Ich holte einen Eimer Holz und drei Kohlenstücke aus dem Stall im Hof und feuerte den Ofen an. Dann setzte ich mich mit Bernhard ins Wohnzimmer, und zusammen warteten wir darauf, dass das Wasser im schmalen Badeofen warm wird. Wir waren nun beide verlegen, und ich sagte kaum ein Wort. Alle fünf Minuten lief ich ins Bad, um nach dem Feuer zu sehen und die Temperatur zu prüfen, und zwischendurch suchte ich ein Handtuch heraus, das ich Bernhard geben konnte, ohne dass Mutter etwas auffallen würde, wenn es dann im Korb mit der Schmutzwäsche läge. Als das Wasser zu sieden begann, sagte ich zu ihm, ich würde nun das Wasser einlassen, er könne sich fürs Bad fertig machen.
    »Was denn fertig machen?«, fragte er verwundert.
    »Naja, du wirst ja nicht mit deinen Sachen in die Wanne steigen wollen. Oder willst du dich im Bad ausziehen?«
    »Ja. Im Badezimmer. Ist so am einfachsten.«
    Ich nickte, obwohl unser Bad winzig klein war und keiner von uns sich im Badezimmer an- und auszog.
    »Du kannst abschließen. Die Badezimmertür kann man von innen abschließen.«
    »Habe ich schon gesehen.«
    Er stand auf, nahm das Handtuch und verabschiedete sich mit einem Kopfnicken. Ich saß nun allein im Wohnzimmer und dachte immerzu, hoffentlich kommt jetzt keiner, nicht meine Eltern, nicht meine Oma und nicht eine meiner Freundinnen. Denn wenn ausgerechnet jetzt jemand käme, und an dem Schornsteinqualm konnte man ja sehen, dass einer da ist, dann säße ich ganz schön in der Tinte. Nach zehn Minuten schlich ich mich auf den Flur und lauschte. Ich hörte ihn pfeifen, ganz leise. Ich ging zur Badtür und klopfte.
    »Bernhard?«
    »Ja. Was ist?«
    »Du kannst dir Haarwaschmittel nehmen, wenn du willst. Ich meine, wenn du dir die Haare waschen willst. Das ist die gelbe Glasflasche, Schampon steht drauf. Nimm dir nicht zu viel. Vater ist immer sauer, wenn ich mir zu viel von dem Zeug nehme.«
    »Ja, danke. Ich sehe die Flasche. Was ist das, Schampon?«
    »Haarwaschmittel eben. Irgend so eine Seife mit Eigelb, damit es richtig schäumt.«
    »Mit Eigelb? Das kenne ich. Das machen wir auch. Wir machen uns das selber.«
    »Dann ist alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    Er machte keine Anstalten, aus der Wanne zu kommenoder sich zu beeilen, und ich stand vor der Tür und wusste nicht, was ich tun sollte, ob ich im Wohnzimmer auf ihn warten sollte, oder lieber vor das Haus gehen, um eventuelle Besucher abzufangen und davon abzuhalten, in unsere Wohnung zu kommen. Und ich hoffte, Bernhard stellte im Bad nicht irgendwelche Dummheiten an, woran man merken könnte, dass jemand gebadet hatte. Den Badeofen musste ich gründlich säubern, das durfte ich nicht vergessen, denn der Ofen wurde nur einmal in der Woche geheizt, am Sonnabend, und im Winter, wenn es draußen stark fror, legte Vater eine Kohle während der Woche in den Ofen, damit das Wasser darin nicht gefror. Doch wenn er merken würde, dass ich richtig toll eingeheizt hätte, dann würde er nicht bloß wegen der Vergeudung schimpfen, sondern Mutter und Vater würden sicher misstrauisch werden und mich mit Fragen löchern.
    Bernhard hatte wieder zu pfeifen angefangen, und ich stand unschlüssig vor der Tür.
    »Soll ich dir den Rücken einseifen?«
    Die Frage war mir rausgerutscht, und ich erschrak selber. Ich lauschte und wartete ängstlich auf seine Reaktion. Im Bad war es still geworden. Ich wollte ihm sagen, dass ich einen Spaß gemacht habe, aber das würde mir jetzt nicht mehr helfen, denn gesagt ist gesagt, und ich fragte mich, was er jetzt von mir denken würde. Es verging sicher eine Minute, ehe er antwortete.
    »Nö, ist nicht nötig. Kann ich selber.«
    Ich atmete erleichtert auf.
    »Gut. Ich hatte es gesagt, weil ich mir gern den Rücken schrubben lasse. Wenn ich in der Wanne sitze und meine Mutter mir den Rücken wäscht, das ist schön.«
    »Ja. Ich kann es allein.«
    »Gut, dann gehe ich. Ich warte im Wohnzimmer auf dich.«
    Er antwortete nicht. Als er eine halbe Stunde später endlichim Zimmer erschien, wurde ich puterrot. Er war angezogen, seine Haare

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