Landnahme
waren verstrubbelt.
»Das war gut. Das Wasser habe ich herausgelassen. Ist das richtig?«
»Ja. Ich mach dann sauber.«
»Es ist alles sauber. Und aufgewischt habe ich auch.«
»Aber die Wanne muss ich auf jeden Fall reinigen. Ich wette, die hat einen Dreckstreifen.«
»Hast du einen Kamm für mich?«
»Ich kann dir meinen geben. Oder ich schneide dir die Haare, wenn du möchtest.«
»Nein. Vielen Dank. Danke für das Bad. War nicht schlecht.«
»Wenn du willst, kann ich mit meinen Eltern sprechen. Sie werden dir sicher erlauben, bei uns ab und zu mal zu baden.«
»Nein. Will ich nicht. Ich wollte mal sehen, wie das ist.«
Ich strich ihm durch die nassen Haare, und dann küssten wir uns. Ich sagte ihm, dass er frisch gewaschen viel besser schmecke, und er lachte.
Bernhard hat nie wieder bei uns gebadet, obwohl ich es ihm anbot, wenn die Eltern verreist waren.
Als wir die Schule endlich hinter uns gebracht hatten, waren wir beide erleichtert. Über die Zeugnisse war nicht viel zu sagen, wir hatten beide bestanden, überstanden besser gesagt, und über die Zensuren haben wir gelacht. Unsere Lehrstellen hatten wir sicher, die einzige Bedingung im Vertrag war, dass wir die Schule erfolgreich abschließen, und diesen Abschluss konnten wir vorweisen. Im September würde ich meine Lehre im Frisiersalon Heidepriem beginnen, und Bernhard würde jeden Tag nach Spora fahren, um bei dem Tischler dort seine Ausbildung zu beginnen. Einmal in der Woche würden wir nach Eilenburg fahren, wo die Berufsschule war. Der Unterricht für die Friseure und Tischler fand im gleichen Gebäude statt, wir hattenam Dienstag und die Tischler am Freitag Unterricht. Ich freute mich auf die Lehre, ich wollte schon immer Friseuse werden, schon seit meiner Kindheit, und ich habe es nie bereut, auch wenn ich vor zehn Jahren eine eklige Allergie bekam, weil wir immerzu diese Chemie an den Fingern haben. Ich war sehr stolz damals, als Frau Heidepriem mich ausgewählt hatte, obwohl sich drei andere Mädchen um die eine Lehrstelle beworben hatten, drei Mädchen, die alle bessere Zeugnisse vorweisen konnten.
»Weißt du«, hatte Frau Heidepriem zu mir gesagt, »meine Mädchen müssen keine Rechenkünstler sein, dafür habe ich eine Registrierkasse, die das kann. Und ob sie lange Briefe ohne Fehler schreiben können, das ist mir egal. Was ich verlange ist, dass meine Mädchen mit den Kundinnen zurechtkommen. Du darfst nicht frech werden, du musst es freilich mit der Höflichkeit nicht übertreiben. Das Einzige, was zählt, deine Kundinnen müssen wiederkommen. Und dafür reicht es nicht aus, dass die Dauerwelle korrekt sitzt. Es gibt da noch andere Dinge im Leben, und die sind im Salon vielleicht viel wichtiger. Und das ist Veda, mein Kind. Frag mich bitte jetzt nicht, was das ist. Ich kann es dir nicht erklären, ich weiß nur, der eine hat es, und der andere nicht. Mir hat das mal ein sehr kluger Mann erklärt, und damit meine ich ganz bestimmt nicht meinen Mann. Der hat mir gesagt, dass ich Veda habe und darum Erfolg bei den Kunden. Und ich glaube, oder ich müsste mich sehr irren, Mädchen, du hast es auch. Du hast Veda, also enttäusche mich nicht.«
Frau Heidepriem war zufrieden mit mir und nach der Lehrzeit blieb ich bei ihr, also musste ich wohl etwas von diesem Veda haben, aber außer in meinem Beruf hat es mir nicht viel geholfen. Oder vielleicht braucht man für die Männer und die Liebe ein anderes Veda, und das jedenfalls hatte ich überhaupt nicht. Davon wusste ich damals nichts, und ich wusste überhaupt nicht, dass ich irgendein Vedahabe, und bis heute habe ich nicht herausbekommen, was das sein soll. Die Chefin jedoch war zufrieden mit mir und meine Kundinnen auch.
An dem Tag, an dem wir die Zeugnisse in der Schulaula überreicht bekamen, Bernhard und ich erhielten sie zuletzt, da sie in der Reihenfolge des Zensurendurchschnitts verteilt wurden, und die beschließenden Bemerkungen des Klassenlehrers, mit denen jeder Schüler bedacht wurde, fielen bei uns beiden sehr knapp aus und waren die üblichen Ermahnungen, an jenem Tag fuhren wir nach der Feier mit den Rädern nach Spora. Bernhard hatte Herrn Mostler, dem Tischler in Spora, bei dem er im September seine Lehre beginnen wollte, versprochen, ihm das Zeugnis sofort vorzulegen, und er hatte mich überredet, mit ihm zu fahren. Da meine Eltern erst am Abend nach Hause kommen würden, rannte ich nach Hause, warf die Schulmappe mitten ins Wohnzimmer, das Zeugnis legte ich
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