Landpartie mit drei Damen
dafür, Jasper mitgenommen zu haben. Allein wäre er mit jeder Situation fertig geworden und hätte eine durchaus romantische Figur abgegeben. Jasper war immer viel zu schnell für ihn. Zähneknirschend sann er auf Rache, immerhin war er finanziell der Stärkere.
Wie sich herausstellte, hieß Miss Smith Poppy. Sie schien Jasper nett zu finden und drückte Noel, den sie wahrscheinlich wenig attraktiv fand, ihr Mitempfinden aus. Miss Jones verriet nicht, wie sie mit Vornamen hieß, und beteiligte sich auch nicht an der folgenden Unterhaltung, sondern stand nur da und trommelte mit langen weißen Fingern auf ihre Handtasche, als wollte sie unbedingt weg.
Miss Smith fragte, wie lange Jasper im Jolly Roger bleiben werde.
»Vermutlich ein paar Wochen. Ich habe hier in der Nähe zu tun, ein delikates und interessantes Forschungsprojekt, und Noel muss sich erholen. Die letzte Zeit war sehr betrüblich für ihn – die Tante, bei der er gewohnt hat, starb ganz unerwartet.«
Miss Smith drückte ihr Beileid aus. Noel kochte innerlich. Von nun an war er als zarter junger Mann abgestempelt, der stets bei seiner Tante gelebt hatte, einer Frau, die er vielleicht vier Mal in seinem Leben gesehen hatte.
»Und Sie«, fuhr Jasper fort, »wie lange wollen Sie bleiben?«
Im Gegensatz zu Miss Jones schien es Miss Smith in Chalford zu gefallen. »Meine Freundin«, sagte Miss Smith ein wenig nervös, »ähm … Miss Jones findet den Jolly Roger reichlich unkomfortabel. Kein Bad im Zimmer, wie Sie ja bemerkt haben, und sie ist es nicht gewohnt, das Bad mit anderen zu teilen. Und die Betten sind ziemlich hart.«
»Ich wusste gar nicht, dass Rickmansworth für seine Luxusgeschöpfe bekannt ist«, sagte Jasper.
»Rickmansworth?«, sagte Miss Smith vage – und riss sich dann zusammen. »Ach, Sie meinen Rickmansworth? Wo wir herkommen? Schätzt man die einfachen Bequemlichkeiten des Lebens nur in bestimmten geografischen Regionen? Davon habe ich ja noch nie gehört.«
»Das Jolly Roger verfügt über mehr als die einfachen Bequemlichkeiten des Lebens. Das Haus ist sauber, das Essen genießbar, das Bier sehr gut und das Bad oft schön und warm, wissen Sie, und jetzt, wo Sie, wie ich sehe, Seife gekauft haben, werden wir uns alle anständig waschen können.«
Miss Jones erschauderte. Sie machte zum ersten Mal den Mund auf und erklärte mit hoher und irgendwie klagender Stimme, dass sie sich das Gesicht eincremen und ein wenig ruhen werde. Dann entfernte sie sich rasch. Jasper bemerkte am vierten Finger von Miss Smiths linker Hand einen Ehering mit kleinen Diamanten. Er war nicht unzufrieden und schlug einen kleinen Spaziergang vor.
In diesem Moment stieß Noel, der missmutig vor sich hin trottete, auf Mrs Lace, die Dorfschönheit.
4
Jeder Landstrich hat seine Provinzschönheit, und Chalford war keine Ausnahme von dieser Regel. Anne-Marie Lace war jedoch nicht der übliche Typus des verblühenden alten Mädchens, dessen große blaue Augen mit jedem Jahr weniger Bewunderer im Verborgenen oder auf dem Tennisplatz anziehen. Sie war nicht besonders sportlich, sie war intellektuell anspruchsvoll, sie war ehrgeizig, und sie war wirklich schön. Ihre Tragik war, dass sie auf dem Land geboren, aufgewachsen und verheiratet war.
In London hätte sie, mit ihrem Aussehen und ihrer ausgeprägten Gefallsucht, fraglos Zugang zu der Gesellschaft gefunden, nach der sie sich verzehrte, jene halb intellektuelle Gesellschaft, die gern fotografiert wird und von der in den Zeitungen so viel zu lesen ist. Selbst in der überschaubaren Umgebung von Chalford war sie nur als »die schöne Mrs Lace« bekannt und durchaus so etwas wie ein Star. Es erfüllte sie mit Genugtuung, dass die meisten Frauen sie nicht leiden konnten, während die Ehemänner, ungehobelte Trampel, die sie verachtete, sie zwar nett, aber viel zu überkandidelt fanden. Das war befriedigend, aber noch besser fand sie die grenzenlose Verehrung, die ihr von zehn, zwölf schmächtigen jungen Männern entgegengebracht wurde, die sich allsommerlich in strohgedeckten Bauernkaten bei Rackenbridge zu einer Art Künstlerkolonie zusammenfanden. Sie gingen davon aus, dass Mrs Lace reich war, aßen sich in ihrem Haus satt und malten stümperhafte kleine Porträts von ihr in den aberwitzigsten Posen. Sie berieten sie auch bei ihrer Garderobe, die endlos Gesprächsstoff im Ort lieferte, da sie der Versuchung nicht widerstehen konnte, bei den alltäglichsten Anlässen in extravaganter Aufmachung zu
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