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Landpartie mit drei Damen

Landpartie mit drei Damen

Titel: Landpartie mit drei Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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gebildet wie schön war. Sie hatte, wie sie erzählte, die Lyrik der Restauration und altfranzösische Balladen studiert, kannte Proust auswendig (sie schaute schmerzlich betroffen, als er ihr gestand, nur Unterwegs zu Swann gelesen zu haben, und zwar auf Englisch), ebenso D. H. Lawrence, Strindberg, Ibsen, wobei sie die beiden Letztgenannten vorzugsweise auf Französisch las.
    In der Malerei war sie offenbar vielseitig interessiert. Primitive, niederländische und italienische Renaissance, die englische Schule, die französischen Impressionisten, Surrealisten, zu allen wusste sie etwas zu sagen. In der Musik offenbarte sich ihr erlesener Geschmack. Sie ließ nur Bach, Brahms und Beethoven gelten. Wagner war für sie bloß barbarischer Lärm, Chopin sentimentales Geklimper. Sie erklärte Noel, dass sie zur falschen Zeit geboren sei, nur das achtzehnte Jahrhundert hätte sie erfüllen können – diese laute Moderne, diese maschinellen Dreißiger sagten ihr nichts, langweilten und irritierten sie und machten sie unglücklich.
    Noel war hingerissen. Noch nie, dachte er, war er einer schönen Frau begegnet, die gleichzeitig eine echte Ästhetin war. Er sprach dem Schlüsselblumenwein tüchtig zu und kehrte mit einem Gefühl starker Übelkeit, die seiner Hochstimmung jedoch keinen Abbruch tat, zum Jolly Roger zurück.
    Er setzte sich zu Jasper in den Speisesaal. Das Abendessen, wurde ihm vorwurfsvoll von Mr Birk erklärt, sei längst bereit. Jasper reichte ihm eine soeben eingetroffene Mitteilung von Eugenia, adressiert an Union Jackshirt Aspect und Union Jackshirt Foster.
    Heil! Meine Großmutter, diese elende alte Pazifistin, hat mich in meinem Zimmer eingesperrt, weil sie gesehen hat, dass ich mit Ihnen gesprochen habe. Sie misshandelt mich und trampelt auf mir herum, so wie Frankreich seit vielen Jahren Deutschland misshandelt und auf den Deutschen herumtrampelt. Das ist völlig bedeutungslos. Deutschland hat sich nun erhoben, und ich werde mich bald erheben, und meine Zeit wird blutrot heranbrechen. Furchtbar wird das Schicksal der Feinde des Sozialunionismus sein, die arme alte Frau soll nur aufpassen. Wir sehen uns morgen pünktlich um vier vor dem Schokoriegelladen.
    Mit sozialunionistischem Gruß
EUGENIA MALMAINS
    Das Dokument war mit Hakenkreuz, Union Jack und Totenkopf mit gekreuzten Knochen versehen, alles sorgfältig in schwarzer Tinte gezeichnet.
    »Ein feines Mädchen«, sagte Jasper mit vollem Mund. »Ich denke, ich werde sie heiraten. Weißt du was, Noel, mein Junge, ich bin verliebt.«
    Noel war zutiefst verwirrt über diese Bemerkung, die ihm völlig den Wind aus den Segeln nahm.
    »Ich auch«, sagte er.
    »Prima!«, sagte Jasper. Sie aßen eine Weile schweigend weiter.
    »Meine Miss Smith«, sagte Jasper, »ist ein gefährliches kleines Ding. Wenn man sie küsst, wehrt sie sich ganz entzückend. Ich bin wahnsinnig verliebt.«
    Noel erschien es sinnvoll, nicht zu erwähnen, dass er seine Geliebte bislang noch nicht geküsst hatte. Er überlegte, warum das so war, und vermutete, dass sie, die ansonsten vollkommen war, nicht gern die Initiative ergriff. »Mein Mädchen heißt Anne-Marie«, sagte er. »Anne-Marie Lace, sie ist wundervoll.«
    »Wo hast du sie aufgegabelt?«, fragte Jasper interessiert.
    »Wir sind uns auf dem Dorfplatz begegnet«, sagte Noel überheblich. »Sie war auf der Suche nach ihren Kindern.«
    »Und wehrt sie sich, wenn du sie küsst?«
    »Nicht unbedingt. Sie ist ein überaus faszinierendes Geschöpf, unglaublich intelligent. Wir haben lange über Malerei und Literatur diskutiert.«
    »Klingt nach einer stinklangweiligen Person«, sagte Jasper. »Wenn ich eines nicht vertrage, dann sind es kultivierte Frauen. Miss Smith liest Strand Magazine und hasst Ausländer. Mehr habe ich über ihren Intellekt nicht herausgefunden, aber über ihre physiologischen Reaktionen weiß ich alles. Die süße Miss Smith, ich liebe sie abgöttisch. Meine Güte, wie ich Miss Smith liebe.«
    Noel war eifersüchtig. Jasper schien Miss Smith mehr zu lieben als er Mrs Lace. Das war ausgesprochen dumm, und mehr denn je wünschte er, dass Jasper wieder in London wäre.
    »Warte nur, bis du Anne-Marie kennenlernst«, sagte er mürrisch. »Neben ihr sieht diese Miss Smith wie ein, wie ein … also, wie ein Zwei-Penny-Riegel aus.«
    »Stimmt«, sagte Jasper. »Miss Smith ist für mich, was für Eugenia ein Schokoriegel ist – kann man sich ein schöneres Kompliment denken?«
    »Am auffälligsten ist

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