Landung auf Darkover - 1
und damit von all jenen, die sich nicht bewußt waren, wie nahe sie selbst daran gewesen waren, ein Verbrechen an seiner Stelle zu begehen. Sie würde ihn beschäftigt halten, bis sich die Erinnerung an das Schreckliche gnädig gelegt hatte, und er würde genügend harte Arbeit leisten und Buße tun, um selbst das eigene Verlangen nach Bestrafung zu befriedigen. Er war ein verzweifelter Mann.
Irgendwie brachte ihn der Anblick der einsamen, gebeugten Gestalt aus der Stimmung, seine andere Verabredung im Lazarett einzuhalten. Er ging zum Wald hinüber, wobei er am Gartenareal vorbeikam, auf dem sich die Neu-Hebrider um lange Reihen grüner sprießender Pflanzen kümmerten. Alastair, auf den Knien, verpflanzte gerade kleine grüne Schößlinge aus einem flachen aufgedeckten Kasten in das weiche Erdreich. Er erwiderte MacArans Winken mit einem Lächeln. Sie sind froh über diesen glücklichen Ausgang - dieses Leben ist vollkommen in ihrem Sinn. Alastair sagte etwas zu dem Jungen, der den Kasten mit den Pflanzen hielt, stand auf und kam zu MacAran herübergelaufen.
»Der Padrón Moray - hat mir gesagt, du würdest die geologische Arbeit machen. Wie stehen die Chancen, Materialien zur Glasherstellung zu finden?«
»Kann ich noch nicht sagen. Warum?«
»Bei einem derartigen Klima brauchen wir Gewächshäuser«, antwortete Alastair. »Konzentriertes Sonnenlicht. Etwas, mit dem wir junge Pflanzen gegen die Schneestürme schützen können. Ich tue, was ich kann, mit Plastikplanen, Folienreflektoren und Ultraviolettbestrahlung, aber das ist nur ein provisorischer Notbehelf. Überprüfe auch natürliche Düngemittel und Nitrate. Der Boden hier ist nicht allzu kräftig.«
»Ich kümmere mich darum«, versprach MacAran. »Warst du auf der Erde in der Landwirtschaft tätig?«
»Gott, nein. Automechaniker - Überführungsspezialist«, lä chelte Alastair. »Der Captain hat mir angedroht, mich zu einem Maschinisten umschulen zu lassen. Ich werde nächtelang wach sitzen und für denjenigen beten, der das verdammte Schiff in die Luft gejagt hat!«
»Nun, und ich werde versuchen, deine Silikate zu finden«, versprach MacAran und überlegte, an welcher Stelle von Morays gestrengen Prioritäten die Kunst der Glaserzeugung wohl stehen würde. Und was war mit den Musikinstrumenten? Ziemlich weit oben, vermutete er. Selbst Wilde hatten ihre Musik, und ein Leben ohne Musik konnte er sich nicht vorstellen - und diese Angehörigen eines singenden Volkes wohl erst recht nicht, schätzte er.
Wenn der Winter so schlimm wird, wie wir das alle befürchten, dann wird uns vielleicht gerade die Musik bei Verstand halten, und ich wette, daß sich Moray das bereits ausgerechnet hat… dieser alles berechnende Bastard!
Wie zur Antwort auf seine Überlegungen erhob eines der auf den Feldern arbeitenden Mädchen die Stimme zu einem leisen, traurigen Lied. Ihre dunkle und heisere Stimme hatte eine flüchtige Ähnlichkeit mit der von Camilla, und ihr Singen ließ eine alte, wehmütige Weise von den Hebriden auferstehen:
Oh, Caristiona mein, antworte bitte auf mein Fleh’n… Keine Antwort heute nacht? Mein
Kummer, oh nein … Oh Caristiona mein.
Camilla, warum kommst du nicht zu mir, warum antwortest du mir nicht? Antworte… antworte bitte auf mein Fleh’n … mein Kummer, oh nein …
So tief, ach, trauert mein Herz, mein Herz,
und meine Augen fließen vor Schmerz, vor Schmerz … Oh Caristiona mein …
antwortest nicht mehr auf mein Fleh’n?
Ich weiß, daß du unglücklich bist, Camilla, aber warum, warum kommst du damit nicht zu mir…?
Camilla kam langsam und widerstrebend - den Untersuchungszettel in der Hand - ins Lazarett. Dies war ein beruhigendes Überbleibsel der Schiffsroutine, doch als sie statt des vertrauten Gesichts des Medo-Chefs Di Asturien (er spricht wenigstens Spanisch!) das des jungen Ewen ROSS sah, runzelte sie ärgerlich die Stirn.
»Wo ist der Chef? Du bist nicht befugt, das Schiffspersonal zu untersuchen!«
»Der Chef operiert gerade den Mann, dem während der Zeit des Geisterwindes die Kniescheibe zerschossen worden ist. Wie auch immer - für die Routineuntersuchungen bin ich verantwortlich, Camilla. Was ist los?« Sein rundes junges Gesicht war vertrauenerweckend. »Genüge ich dir nicht? Ich versichere dir, meine Zeugnisse sind hervorragend. Und außerdem … ich habe geglaubt, wir sind Freunde! Die gemeinsamen Opfer des ersten Geisterwindes! Mach mir nicht meine Selbstachtung kaputt!«
Gegen ihren Willen lachte sie.
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