Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
Schopenhauer und Nietzsche, Bentham und Mill, Marcuse, Adorno, Russell, Bloch und Watzlawick – sie alle haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Thomas von Aquin hat darüber meditiert und Hegel befand, dass die Perioden des Glücks bloß leere Blätter in der Weltgeschichte seien. Nur stellt sich nach der Lektüre all des Gedachten das unangenehme Gefühl ein, nicht wirklich erhellt worden zu sein. Der eine geht zu idealistisch an unser aller Hauptziel heran, der andere rein materialistisch. Der eine versucht es mechanisch-mathematisch, der andere nur mystisch. Mancher isoliert den Einzelnen und glaubt, Glück könne man mit purem Egoismus erreichen, ein anderer sieht »the conquest of happiness« als planbare Massenbewegung. Es ist wirklich eigenartig, aber jeder dieser großen Geister testet seine spezifische Weltsicht an einem Objekt, das diese aufgrund seiner Komplexität scheitern lassen muss und ihre ideologische Verengung offenlegt. Ob solch verhängnisvolle Tunnelsicht an mangelnder Erfahrungsbreite der Philosophen liegt oder ob einfach rechte Hirnhälfte, Intuition und Bauchgefühl ausgeschaltet wurden, ist schwer zu beurteilen. Vielleicht wären wir weitergekommen, hätten mehr Frauen über das Thema geschrieben.
Das Wichtigste ist nun aber: Wir dürfen die geschilderte zentrale Bedeutung des Glücks für unser Denken, Werten und Handeln nicht aus den Augen verlieren wegen all der aufgelisteten Vorurteile und Befangenheiten einflussreicher Intellektueller. Sie haben viel geleistet auf anderem Gebiet – zur Erforschung des menschlichen Glücks haben sie wenig beigetragen.
Immer wieder sollten wir uns die Frage nach dem Glück stellen, nicht stündlich, aber vielleicht einmal morgens und einmal abends, wie beim Zähneputzen. Wir sind unendlich bemüht, gute Söhne oder Töchter zu sein, gute Eltern, gute Mitarbeiter/-innen, Freunde/-innen, Nachbarn/-innen. Alles wichtig. Aber am wichtigsten ist und bleibt die Frage, ob all das den Menschen um uns herum und uns selbst zum Glück gereicht. Routinen schleifen sich so schnell ein, Dinge werden zur Gewohnheit. Der Sinn dahinter verblasst, leise stellt sich die Frage nach dem Warum. Stellen wir sie laut – und beantworten wir sie zumindest auch danach, ob das Handeln uns oder andere glücklich macht. Jetzt oder später, aber jedenfalls glücklicher! Wir haben es uns verdient!
Ähnliches gilt für die Politik. Es muss ja nicht gleich ein Ministerium für Glück geben, doch jede politische Entscheidung sollte daraufhin geprüft werden, ob sie das Glück der Menschen befördert. Diese Perspektive entlarvt vieles als Aktionismus und zeigt gleichzeitig die Leerstellen zeitgenössischer Politik auf. Welcher Politiker und welche Politikerin traut sich schon, in Reden darüber zu sprechen, inwieweit er oder sie das Leben der Wähler und Wählerinnen glücklicher machen wird? Man zählt auf, was alles geschehen müsse, aber vergisst zu sagen und zu denken, warum. Die Frage nach dem Glück würde manches Mal die Fenster der politischen Hinterzimmer öffnen und die Luft des Lebens und Alltags hereinlassen.
Eckart von Hirschhausen formuliert wunderbar: »Wenn du das Glück wärest, würdest du gerne bei dir vorbeischauen?« Leben, denken und fühlen wir so, dass das Glück sich mit Wonne breitmachen würde bei uns. Fragen wir immer wieder trotz aller Grenzen, was uns guttut! Haben wir den Mut, unser Leben, soweit es geht, so zu führen, wie es uns selbst beglückt (vgl. das Kapitel »Auf dem Sterbebett ist es zu spät: Mut zum Glück!«).
Viele scheinen auf die klassische »Wie geht’s«-Frage fast bedauernd zu sagen: »Kann nicht klagen.« Das reicht nicht! Entweder laut klagen und verändern – oder begeistert sagen, wie gut es einem geht und wie glücklich einen Kinder, Liebe, Beruf, Ehrenamt, Hobby oder was auch immer machen! Oder dies zumindest leise lächelnd denken …
P.S. Was dabei hilft, sind kleine Glücksrituale. Sie geben dieser Grundhaltung täglich Hilfestellung. Glück besteht zum einen aus Überraschung, Zufall, Einzigartigkeit und Den-Atem-Anhalten, aber genauso aus Voraussehbarkeit, Vorfreude und Wiederholung. Kleine Dinge, die konstant guttun, ermuntern uns, Großes kritisch anzugehen. Ob es der Latte macchiato am Morgen ist oder der Vanilletee am späten Nachmittag, der tägliche Wettbewerb, wer wem zuerst nach dem Aufwachen »Ich liebe dich« sagt, oder das abendliche Herumrennen mit dem Hund im nahe gelegenen Park – oft ist Glück
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