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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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offenen Tür des Cockpits standen, aber dagegen ließ sich jetzt nichts mehr machen.
    Deegan schüttelte den Kopf. »Es geht um Ihre Frau, Kapitän.«
    Einen Augenblick hatte Brian nicht die leiseste Ahnung, wovon der Mann sprach, und konnte nur dastehen, ihn mit offenem Mund angaffen und sich über die Maßen albern vorkommen. Dann fiel der Groschen. Er meinte selbstverständlich Anne.
    »Sie ist meine Exfrau. Wir sind vor achtzehn Monaten geschieden worden. Was ist mit ihr?«
    »Sie hat einen Unfall gehabt«, sagte Deegan. »Vielleicht sollten Sie besser mit ins Büro kommen.«
    Brian sah ihn neugierig an. Nach den vergangenen drei langen, nervösen Stunden schien dies alles seltsam unwirklich zu sein. Er widerstand dem Drang, Deegan zu sagen, wenn dies eine Art Vorsicht-Kame ra-Scheiße sein sollte, möge er sich getrost selbst verulken. Aber das war es selbstverständlich nicht. Die hohen Tiere von Fluggesellschaften standen nicht auf Scherze und Streiche, schon gar nicht auf Kosten von Piloten, die knapp einer Katastrophe in der Luft entronnen sind.
    »Was ist mit Anne?« hörte Brian sich wieder fragen, diesmal mit leiserer Stimme. Er bemerkte, dass sein Copilot ihn voll argwöhnischem Mitgefühl betrachtete. »Geht es ihr gut?«
    Deegan betrachtete seine polierten Schuhspitzen, und Brian wusste, es mussten wahrhaftig schlechte Nachrichten sein. Anne ging es alles andere als gut. Wusste es, konnte es aber unmöglich glauben. Anne war erst vierunddreißig, gesund und von vorsichtiger Natur. Er hatte auch mehr als einmal gedacht, dass sie die einzig normale Autofahrerin in ganz Boston war … möglicherweise im ganzen Staat Massachusetts.
    Jetzt hörte er sich etwas anderes fragen – und es war wirklich genau so, als wäre ein Fremder in sein Gehirn getreten und benützte den Mund als Lautsprecher. »Ist sie tot?«
    John oder James Deegan drehte sich um, als suchte er Unterstützung, aber nur eine einzige Stewardess stand an der Luke, wünschte den aussteigenden Passagieren einen angenehmen Abend in Los Angeles und sah ab und zu besorgt zum Cockpit, weil sie sich wahrscheinlich genau über das Sorgen machte, was auch Brian durch den Kopf gegangen war – dass der Besatzung irgendwie die Schuld an dem langsamen Druckabfall gegeben werden sollte, der das mittlere Drittel des Flugzeuges zu so einem Alptraum gemacht hatte. Deegan war auf sich allein gestellt. Er sah Brian wieder an und nickte. »Ja – ich fürchte, das ist sie. Würden Sie bitte mit mir kommen, Kapitän Engle?«
     
2
     
    Eine Viertelstunde nach Mitternacht machte es sich Brian Engle auf Sitz Nr. 5A von American-Pride-Flug Nr. 29 – Flagship Service von Los Angeles nach Boston – bequem. In fünfzehn Minuten würde dieser Flug, der Interkontinentalreisenden als Schnarchflug bekannt war, sich in die Luft erheben. Ihm fiel wieder ein, wie er vor kurzem gedacht hatte, wenn LAX nicht der gefährlichste kommerzielle Flughafen in Amerika war, dann Logan. Durch eine Verkettung unangenehmer Umstände würde er nun Gelegenheit haben, beide Orte innerhalb eines Zeitraums von acht Stunden selbst aufzusuchen: LAX als Pilot, Logan als Passagier.
    Seine Kopfschmerzen, die jetzt viel schlimmer waren als bei der Landung von Flug Nr. 7, nahmen eine Skaleneinheit zu.
    Ein Feuer, dachte er. Ein verdammtes Feuer. Um Himmels willen, was ist mit den Rauchdetektoren passiert? Es war ein brandneues Gebäude!
    Ihm fiel auf, dass er in den letzten vier oder fünf Monaten kaum an Anne gedacht hatte. Im ersten Jahr nach der Scheidung hatte er ausschließlich an sie gedacht, schien ihm – was sie machte, was sie anzog und, natürlich, mit wem sie ausging. Als der Heilungsprozeß schließlich einsetzte, ging es sehr schnell … als wäre ihm ein Antibiotikum gespritzt worden, das seinen Seelenzustand verbesserte. Er hatte genügend über Scheidungen gelesen, um zu wissen, was das Heilmittel für gewöhnlich war: kein Antibiotikum, sondern eine andere Frau. Mit anderen Worten: der Rückschlageffekt.
    Für Brian hatte es keine anderen Frauen gegeben – jedenfalls noch nicht. Ein paar Verabredungen und eine zurückhaltende sexuelle Begegnung (er war zur Überzeugung gekommen, dass im Zeitalter von AIDS alle sexuellen Begegnungen außerhalb der Ehe zurückhaltend waren), aber keine andere Frau. Er war einfach … geheilt.
    Brian verfolgte, wie die anderen Passagiere an Bord kamen. Eine junge Frau mit blondem Haar führte ein kleines Mädchen mit dunkler Brille; sie hatte die

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