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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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Arzt gehen, der möglicherweise der falsche für sie sein könnte. Oder sie entwickeln sich zu einem der sogenannten »Doktor-Hopper«, die von einem Arzt zum anderen wechseln, weil sie nie mit einem wirklich zufrieden sind. Auch das hat letztlich nichts mit effektiver Gesundheitsvorsorge zu tun, denn therapeutische Konsequenz bietet größere Chancen als das fortwährende Anreißen von vielen unterschiedlichen Therapien, die vom Doktor-Hopper oft schon abgebrochen werden, bevor sie überhaupt ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen konnten.
    Die englische Regierung unter Tony Blair hielt es lange Zeit für einen Königsweg im Gesundheitssystem, der Bevölkerung möglichst viele Wahlmöglichkeiten für ihre diagnostische und therapeutische Versorgung anzubieten. Nach dem Muster: Wir zwingen den Patienten nicht in bestimmte Vorsorge- und Therapiemaßnahmen, sondern bieten sie ihm nur an, damit er das Richtige für sich herauspicken kann. Darauf kollabierten die Kosten, weil das Herauspicken schnell einer Besser-Mehr-Mentalität wich und die Patienten exzessiv die ihnen unterbreiteten Angebote wahrnahmen, ohne dass es ihnen sonderlich besser ging. Man holte daraufhin den amerikanischen
Psychologen und Entschluss-Spezialisten Barry Schwartz, der als Erstes dazu riet, die Angebotsbreite an Gesundheitsleistungen drastisch abzuspecken und dafür die Patienten auf den Satz zu eichen: »Geben Sie sich mit dem zufrieden, was gut genug für Sie ist.« Leider bekam Schwartz nicht genug Gelegenheit, seine Strategie wirken zu lassen, sodass es dem englischen Gesundheitssystem heute schlechter geht als je zuvor.
    Dafür gibt es einen weiteren indirekten Nachweis für die lebensverlängernde Kraft der Entschlussfreude. Ihr Gegenpol, also die Entschlussschwäche, besitzt nämlich ein ebenso enges wie dialektisches Verhältnis zur Depression. Mangelnde Entschlussfähigkeit gehört einerseits zu den wesentlichen Symptomen einer Depression, andererseits kann sie aber auch einen Menschen überhaupt erst depressiv machen, weil sie ihn ja im Zustand einer latenten Unzufriedenheit verharren lässt. Was konkret bedeutet: Wer einem entschlussschwachen Menschen begegnet, hat es entweder mit jemandem zu tun, der bald depressiv werden wird, oder mit jemandem, der schon depressiv ist. Beides wirkt freilich wie eine Einladung für den Tod.
    »Depressive Menschen leben acht Jahre kürzer als der Bevölkerungsdurchschnitt«, berichtet Psychiater George Zubenko von der University Pittsburgh. Wobei dies nicht, wie man vermuten könnte, in erster Linie an der hohen Selbstmordrate und dem starken Drogenkonsum der Patienten liegt, sondern an ihren Genen. Zubenko und sein Team fanden bei depressiv vorbelasteten Familien insgesamt 19 Gene, die direkt oder indirekt mit der Krankheit zusammenhängen – und gleichzeitig tief ins Körpergeschehen eingreifen, beispielsweise in den Haushalt der Geschlechtshormone. »Dies könnte auch erklären«, so der Psychiater, »warum Frauen häufiger von Depressionen betroffen sind und die Stimmung stark von Pubertät, Monatszyklus, Schwangerschaft und Menopause abhängt.« In jedem Fall sind depressive Menschen auf ein kürzeres Leben
ausgelegt – und zwar nicht nur durch ihren Lebensstil, sondern auch durch ihre Gene.
    Gründe genug also, an seiner Entschlussfreude zu arbeiten, wenn man wirklich alt werden will. Doch diese hat, wie so viele lebensverlängernde Charaktermerkmale, ein Imageproblem, das verhindert, dass die Menschen voller Elan an ihrem Elan arbeiten.
    Frühere Generationen mussten oft vorgezeichnete Wege gehen, sie wurden von den Familien einem bestimmten Ehepartner versprochen und auch auf einen bestimmten Beruf vorbereitet, sodass sie nicht überlegen mussten, welche Lebensform und welche Lebensinhalte für sie wichtig waren. Die Konsumgesellschaft mit ihrer schier unendlichen Palette gab es ebenfalls noch nicht, sodass man auch beim Einkaufen von der Qual der Wahl noch weit entfernt war. Doch heute ist das natürlich anders. In den modernen demokratischen und konsumorientierten Gesellschaften ist es geradezu oberste Bürgerpflicht, sich sämtliche Optionen offen zu halten. Denn zu einer freiheitlichen Gesellschaft gehört, dass man sich nicht festlegt, sondern sich jederzeit die Freiheit zum Entschluss nimmt, mag dieser auch noch so weit von der vorherigen Wahl abweichen. Politische Parteien fürchten den Wankelmut ihrer Wähler genauso wie der Handel und die Industrie den Wankelmut ihrer Kunden, und

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