Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
inwieweit die vorgegebenen Aussagen auf sie zutreffen. Dadurch wollten die Forscher ermitteln, ob ihre Testpersonen eher zu den Maximizern oder zu den Satisficern gehörten.
Anschließend sollten sich die Probanden vorstellen, dass sie sich aus sieben Postern eines aussuchen konnten, um es mit nach Hause zu nehmen. Sie dürften ihre Auswahl entweder beliebig oft ändern oder sie sollten sich sofort für ein Poster entscheiden, ohne diese Entscheidung zurücknehmen zu dürfen. Die Studenten wurden nun gefragt, welche der beiden Optionen für sie die bessere wäre. Es zeigte sich: Wer sich vorher im Fragebogen als Maximizer herausgeschält hatte, wählte die erste Option mit den Revidierungsmöglichkeiten; wer sich zuvor als Satisficer präsentiert hatte, wählte die Option des einen, unabänderlichen Entschlusses. Ein Ergebnis, das deutlich macht, dass die Einteilung in Maximizer und Satisficer kein theoretisches Konstrukt ist, sondern sich konkret in einzelnen Situationen des Alltags zeigt.
Im zweiten Versuch sollten 52 andere Studenten nach dem Ausfüllen ihrer Fragebögen eine Reihe von Postern, etwa von Musikern, Städten oder Gemälden, in eine Reihenfolge bringen. Mit ihren Lieblingsdrucken auf den vorderen und den weniger beliebten Drucken auf den hinteren Plätzen. Einige ihrer Posterfavoriten durften sie dann mit nach Hause nehmen, angeblich als Belohnung für ihre Kooperation in dem Experiment. Die eigentliche Intention des Geschenks zeigte sich aber erst eine Woche später: Dann wurden nämlich die Probanden von den Wissenschaftlern angerufen und gefragt, wie zufrieden sie noch mit ihren Postern waren. Das Ergebnis war eindeutig: Die Maximizer waren mit ihrer Auswahl
am unglücklichsten. Sie hatten nur selten ihre Poster an die Wand gehängt und sie dafür umso häufiger an ihre Freunde verschenkt. »Obwohl sie wie die anderen Testpersonen auch die Poster als unerwartetes Geschenk bekommen hatten, konnten sie einfach nicht glücklich damit werden«, erklärt Studienleiterin Joyce Ehrlinger.
Die Psychologin erklärt das Unglück der Maximierer aus ihrer Unfähigkeit, eine echte Verbundenheit mit den Objekten ihrer Entschlüsse aufzubauen. Sie streben so sehr nach der optimalen Lösung, dass sie sich auch nach dem Entschluss noch fragen, ob sie die richtige Wahl getroffen haben. »Dadurch schaffen sie es nicht, eine verbindliche Beziehung zu der gewählten Option aufzubauen«, resümiert Ehrlinger. Und insofern sie dieses Problem in allen Bereichen des Alltags haben, von der Wahl ihrer Frühstücksmarmelade bis zur Entscheidung, vor den Traualtar zu treten, ist ihr ganzes Leben von Verhältnislosigkeit geprägt oder, wie es die Psychologie ausdrückt, von »kognitiver Dissonanz«. Ein Leben in Glück und Zufriedenheit ist jedoch nur möglich, wenn man diese Dissonanz abbaut und ohne Wenn und Aber hinter den Dingen und Menschen steht, für die man sich entschieden hat.
Ehrlinger betont auch, dass die Maximizer alles andere als gesund leben. »Ihre ständige Unzufriedenheit setzt den gesamten Organismus unter Stress«, warnt die Psychologin. Ganz zu schweigen davon, dass ein ewiger Entscheidungsoptimierer den Menschen seiner Umgebung oft den Eindruck vermittelt, dass sie nur die zweite Geige spielen und sie ständig damit rechnen müssen, von jemand anders verdrängt zu werden. Solche Minderwertigkeitsgefühle können nur die wenigsten wirklich ertragen. Weswegen sich gerade in den Liebesbeziehungen eines Maximizers oft eine verhängnisvolle Mischung aus Frust und Zorn aufbaut, unter der am Ende auch er selbst zu leiden hat.
Man kann davon ausgehen, dass der ständige Stress einen Maximizer ein paar Lebensjahre kostet, während die Entschlussfreude
des Satisficers den Todeszeitpunkt eher nach hinten schieben sollte, weil er vor und nach dem Entschluss weniger Unsicherheit verspürt und dementsprechend weniger Stresshormone in seinem Körper agieren. Direkte empirische Nachweise dafür fehlen jedoch. Denn Entschlussfreude wurde bisher vor allem von Wirtschaftspsychologen untersucht, um das Kaufverhalten der Kunden zu verstehen.
Und doch gibt es indirekte Beweise, die für eine lebensverlängernde Wirkung der Entschlussfreude sprechen. So ermittelten amerikanische Forscher, dass entschlussschwache Menschen in ihrer persönlichen Gesundheitsvorsorge immense Defizite haben. Sie haben beispielsweise so große Probleme bei der Ärztewahl, dass sie lieber gar keinen medizinischen Rat einholen, bevor sie zu einem
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