Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
unterwerfen.
Die Kilos verschwanden wieder, wie sie gekommen waren, und weil Hanks weiterhin konsequent auf seinen Latte Macchiato verzichtete, blieb ihm auch der berüchtigte Jo-Jo-Effekt erspart. Ein voller Erfolg, der dem Umstand zu verdanken ist, dass der amerikanische Hollywood-Star nicht nur ein disziplinierter, sondern auch ein realistischer Mensch ist. Er überforderte nicht sein Willenskontingent, indem er sich harten Programmen und utopischen Zielen (»Zehn Kilo runter in zwei Wochen«) unterwarf. Lieber entschied er sich für einen Weg, von dem er wusste, dass er ihn durchhalten könnte: nämlich einfach die nicht sättigende Kalorienbombe aus seinem Leben zu streichen. Mit solch einem ambitionierten Realismus hält man nicht nur sein Körpergewicht; wir werden wohl auch den Schauspieler und Regisseur Tom Hanks noch viele Jahre genießen können.
Ohne Ziele würde unser Leben nicht funktionieren. Sie geben unserem Alltag eine Struktur und Orientierung, sorgen dafür, dass wir nicht dahindriften und umherirren. Außerdem stärken sie unser Selbstbewusstsein, denn wenn wir ein Ziel erreicht haben, gibt uns das Kraft und Vertrauen für kommende Aufgaben. In der Philosophiegeschichte gab es zwar immer wieder Bestrebungen, den Menschen als zielloses Wesen zu installieren, wie etwa den Nihilismus oder Existenzialismus, doch sie erzielten keine Breitenwirkung – ein Großteil dieser Tendenzen verharrte im Stadium der intellektuellen Spielerei. Setzte sich eine solche Theorie doch einmal durch, wie etwa der Buddhismus, dann wurde im Grunde die Zielorientierung über die Hintertür doch wieder eingeführt – man denke nur an den berühmten Satz: »Der Weg ist das Ziel.« Der Mensch ohne Ziel ist eben schlechterdings nicht vorstellbar. Und stellt man ihn sich doch vor, dann ist er wie ein Schaf, das sich von einem Grasbüschel und einem Moment zum nächsten treiben
lässt – und das ist nicht unbedingt das, was die meisten von ihrem Leben erwarten.
Doch Menschen können sehr unterschiedliche Ziele haben und diese wiederum auf sehr unterschiedliche Weise zu erreichen versuchen. So gibt es »weiche« Ziele, wie etwa den Wunsch, seine Finanzen zu ordnen, gesünder zu leben oder im Beruf erfolgreich zu sein. Aber so etwas ist eigentlich unerreichbar. Und zwar weniger wegen unserer mangelnden Begabung als vielmehr aus dem Grund, dass man schwammige Ziele in der Regel auch mit schwammigen Strategien erreichen will. Beispielsweise indem ich zu mir sage, ich müsste mich nur mehr anstrengen oder mein Bestes geben, dann würde es schon klappen. Solche Selbstmotivationen seien, betont die amerikanische Sozialpsychologin Heidi Grant Halvorson, »nachweislich nicht zielführend«. Sie seien eher »eine vorformulierte Entschuldigung« nach dem Muster: Ich habe doch alles versucht; ungünstige Umstände waren schuld, dass ich mein Ziel nicht erreicht habe. »Wer sich nur ein schwammiges Ziel setzt«, erklärt Halvorson, »erliegt schneller der Versuchung, es entweder aufzugeben oder ›für erreicht‹ zu erklären, wenn er müde, ernüchtert oder gelangweilt ist.«
Nehmen wir beispielsweise an, Sie hätten sich das Ziel gesteckt, Ihre Wohnung in Schuss zu halten. Das ist an sich ziemlich ehrenhaft, aber Ihr Vorsatz impliziert keine konkrete Handlungsforderung. Er ist nur eine abstrakte Vision, die eine grobe Richtung vorgibt, mehr auch nicht. Anders sieht es jedoch aus, wenn Sie sich auf die konkreten Schritte zu Ihrem Ziel fokussieren. Wenn Sie etwa planen, jeden Mittwoch die Böden zu saugen, jeden Samstag Klo und Küche zu putzen und fortan keine Bücher und Briefe mehr auf dem Papierberg Ihres Schreibtisches zu deponieren. Diese konkreten Pläne rücken das »Was muss ich tun?« ins Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit und haben dadurch größere Chancen auf ihre Umsetzung in die Realität. Wenn ich wirklich all diese Einzelaktionen erfülle – Bad und Küche putze, die Böden sauge und den
Papierstapel nicht mehr weiter anwachsen lasse –, wird am Ende die Wohnung tatsächlich in Schuss sein. Sozusagen als Summe meiner einzelnen Aktionen. Hätte ich hingegen generell das Wohnung-in-Schuss-Halten als Ziel formuliert, wäre es vermutlich nicht dazu gekommen. Weswegen schon der deutsche Dramatiker Christian Friedrich Hebbel sagte: »Das nächste Ziel mit Lust und Freude und aller Kraft zu verfolgen, ist der einzige Weg, das Fernste zu erreichen.«
Wer also etwas erreichen will, sollte sich mehr auf die konkreten kleinen
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