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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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und Johanna von Burgund von der Pest dahingerafft werden, kann man das als Natur-Gewalt, als »bakteriellen Totschlag« verbuchen und damit aus unseren Betrachtungen herausnehmen.
Bei Friedrich Schiller und seiner Krankheitsgeschichte wird es hingegen schon komplizierter.
    Der Dichter infizierte sich als Medizinstudent mit Tuberkulose, als er eine Obduktion protokollierte und dabei jegliche Vorsicht missen ließ. Bakterien waren ja zu seiner Zeit noch unbekannt, sodass man ihm in dieser Situation keinen Leichtsinn vorwerfen kann, sondern seine Infektion den unvorhergesehenen Naturgewalten zurechnen muss. Doch wie Schiller dann mit seiner Schwindsucht umging, das hatte nichts mehr mit Naturgewalt zu tun. Denn er pflegte einen Lebensstil, der selbst einem Gesunden zu schaffen gemacht hätte. Seine Ernährung war schlecht und viel zu einseitig, und er arbeitete bis zur totalen Erschöpfung, gönnte sich praktisch keine Pausen. Außerdem ruinierte er seinen Körper, wie es bei selbstbehandelnden Ärzten nicht ungewöhnlich ist, mit haarsträubenden Therapiemaßnahmen. Als etwa in Mannheim die Malaria wütete, lebte er nur von Suppe, Brechweinstein und Chinarinde, die er, wie er in einem Brief zugab, aß »wie Brot«. Mit der Folge, dass sein Darmmilieu zusammenbrach und sein Körper den Tuberkelbazillen nichts mehr entgegen zu setzen hatte.
    Schiller starb im Alter von gerade mal 45 Jahren, und schuld daran war nicht nur seine schwere Krankheit, sondern auch sein Lebensstil, der den Mikroben ihre Vernichtungsarbeit erleichterte. Der Autor der Räuber wird daher in unserer welthistorischen Betrachtung von Lang- und Kurzlebigkeit berücksichtigt – genauso wie die anderen kranken Berühmtheiten, die mit ihrem Lebensstil erheblichen Einfluss auf ihr Leiden genommen haben. Bei Schiller war dieser Einfluss im Wesentlichen negativ – doch einer seiner berühmten Zeitgenossen zeigte, dass es auch anders geht.

    Kerzengerade: Das lange und moralische Leben des Immanuel Kant
    Der Philosoph aus Königsberg war ähnlich wie Schiller schon bei der Geburt am 22. April 1724 kein glucksender und kraftstrotzender Wonneproppen, sondern ein bleicher und trichterbrüstiger Winzling, über dessen Familie der Schatten des frühzeitigen Todes lag. Immanuel war zwar das vierte Kind der Kants, bei seiner Geburt lebte jedoch nur noch seine fünfjährige Schwester, die übrigen Geschwister waren bereits verstorben. Mutter Anna Regina, die ebenfalls nicht mehr lange leben sollte, hatte also guten Grund, für das zerbrechliche und blasse Baby um Gnade zu bitten: »Gott erhalte ihn in seinem Gnaden Bunde bis an sein seliges Ende.« Sie wurde offenbar erhört. Immanuel Kant strotzte zwar niemals vor Vitalität, aber es ging ihm auch niemals richtig schlecht. Einem Freund sagte er, dass er »immer mit Unpässlichkeit zu kämpfen« hätte, ohne jemals krank zu sein, und in einem Brief bezeichnete er sich als »auf schwächliche Art gesund«. Er wurde trotz zerbrechlicher Konstitution fast 80 Jahre alt, was damals ausgesprochen selten vorkam. Niemand aus seiner Umgebung hätte jemals damit gerechnet, und doch war sein gesegnetes Alter nicht etwa ein Wunder, sondern das folgerichtige Resultat einer bemerkenswerten Kombination von Philosophie und preußischen Tugenden, in der Moral und Selbstdisziplin geistreich diskutiert und ebenso konkret gelebt wurden.
    Dazu gehörte, dass Kant seinen Alltag nach einem strikten Regelsystem ordnete. Morgens um fünf stand sein Diener Lampe, ein altgedienter Soldat, am Bett seines Herrn und rief: »Es ist Zeit.« Kant war freilich kein angeborener, sondern ein selbsternannter Frühaufsteher, sodass er Lampe nicht selten darum bat, doch bitte später wiederzukommen. Doch der Diener blieb gnadenlos und wiederholte nur seinen Befehl, hatte er doch ausdrücklich von seinem Herrn selbst
die Anweisung dazu bekommen. Kant wusste eben, dass auch er ein Mensch mit Schwächen war, und deswegen schaffte er sich in Gestalt von Diener Lampe ein externes Gewissen, das ihn zur Ordnung rief, wenn es sein musste. Zur Selbstdisziplin gehört eben neben der Härte gegen sich selbst auch die Erkenntnis, wo man zur Nachgiebigkeit neigt und daher jemanden beauftragen muss, dort für die notwendigen Korrekturen zu sorgen.
    Eine halbe Stunde nach dem Aufstehen saß Kant bei einer Tasse Tee, um sich für seine täglichen Vorlesungen zu präparieren. In seinem Arbeitszimmer mussten dabei genau 24 Grad herrschen, kein Grad mehr und kein Grad

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