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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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würden sie jetzt auch nicht umbringen. Außerdem widerstrebt es jeder Schildkrötenlogik, etwas zu ändern, das mehr als 150 Jahre gut gegangen ist.
    Harriet wusste schon ziemlich genau, was zu tun war, um wirklich steinalt zu werden.
    Träge = Langlebig?
    Fragt man ein Kind nach dem schnellsten Landtier der Welt, kommt meistens wie aus der Pistole geschossen: »Gepard – 120 Kilometer die Stunde!« Und ein Glitzern in den Augen bekundet den Respekt vor dieser Leistung. Fragt man
anschließend danach, wie alt der Gepard wird, bekommt man zwar keine eindeutige Jahreszahl zu hören, aber zumindest den Hinweis, dass die schnelle Raubkatze bestimmt nicht sonderlich alt wird: »Ist ja viel zu anstrengend, so ein Gepardenleben.« »Aber wer wird denn dann deiner Meinung nach so richtig alt?« »Die Riesenschildkröte. Die kann über 200 Jahre alt werden.« Das Glitzern in den Augen fällt dabei freilich etwas schwächer aus, weil für ein Kinderhirn ein Rennauto mit Fell faszinierender ist als ein lahmer Panzer im Methusalem-Alter. Aber es zeigt auch, wie früh sich im menschlichen Gehirn bereits die Logik festsetzt, dass die Lahmen und Langweiligen steinalt werden, während die Agilen und Explosiven ihre Energien schnell verbrauchen und demzufolge früh sterben. Doch entspricht das auch wirklich den naturwissenschaftlichen Fakten?
    Ein erster kurzer Blick über das Tierreich spricht eher dafür. So wird die wuselige Spitzmaus mit ihrem Puls von bis zu 1000 Schlägen pro Minute nur selten älter als anderthalb Jahre, während die dicke Harriet mit ihrem überschaubaren Sportprogramm mehr als anderthalb Jahrhunderte geschafft hat. Und wenn man den Energieumsatz noch weiter herunterdreht, werden endgültig Methusalem-artige Dimensionen erreicht. So kann der Riesenschwamm Scolymastra joubini, der kein Herz und einen extrem langsamen Stoffwechsel hat, ein Alter von sage und schreibe 10.000 Jahren erreichen.
    Aber es geht auch anders herum. Das Herz der Bernsteinschnecke etwa schlägt bloß 26 Mal pro Minute, aber nach höchstens zwei Jahren hört es auch schon wieder auf damit. In der Krähe hingegen wird das Blut mit mehr als 300 Druckwellen pro Minute durch die Adern gejagt, und doch kann sie immerhin 20 Jahre alt werden. Das Herz des Löwen kontrahiert nur etwa 40 Mal pro Minute, doch selbst dieser Schongang schenkt ihm in freier Wildbahn allenfalls 15 Lebensjahre. Der Mensch hingegen wird mehr als vier Mal so alt, obwohl sein Herz fast doppelt so schnell schlägt wie das
der Raubkatze. Die Formel »Wer wenig tut und nur wenig Energien umsetzt, wird automatisch älter« gilt also für die Natur nicht unbedingt. Jede Tierart besitzt vielmehr ein eigenes genetisches Programm für ihre Lebenserwartung, in dem der Stoffwechsel nur eine von vielen Rollen spielt.
    Feste Strukturen halten jung – aber nur, wenn man sie akzeptiert
    Um wirkliche Erkenntnisse zu den Bedingungen für das lange Leben eines Menschen zu sammeln, ist es ohnehin interessanter, nicht einzelne Tierarten, sondern innerhalb einer Species lang- und kurzlebige Individuen miteinander zu vergleichen. Denn was nutzt mir die Erkenntnis, dass eine Eintagsfliege nur wenige Tage und ein Elefant über 50 Jahre alt werden kann, im Hinblick auf die Lebenserwartung des Menschen? Rein gar nichts, denn bekanntermaßen ist es beim Homo sapiens ja genau umgekehrt, dass nämlich die mit den elefantenartigen Fettpolstern extrem kurzlebig sind.
    Ein Blick auf die unterschiedlichen Lebenserwartungen innerhalb einer Tierart offenbart, dass sie wesentlich davon abhängen, ob die jeweiligen Individuen in Freiheit oder in Gefangenschaft leben. Sieht man von Nutztieren ab, die schon nach kurzer Zeit geschlachtet werden, besteht generell ein Trend dahin, dass es sich zwischen Zäunen, Schutzwällen und dergleichen länger lebt als in freier Wildbahn. So kann es ein Löwe in Gefangenschaft durchaus auf zwei Dekaden bringen, während in der Wildnis für Weibchen schon nach 15 und für Männchen sogar schon nach zwölf Jahren Schluss ist. Ein Zoo-Schimpanse lebt über 50 Jahre, während sein Pendant in freier Wildbahn schon nach 30 bis 40 Jahren in den Affenhimmel emporsteigt. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: Das Leben in Freiheit ist zwar frei, aber auch gefährlich: Mehr
Infektionen, mehr Konflikte mit Futterneidern und Konkurrenten, mehr Ängste, und schließlich auch eine schlechtere Hygiene und medizinische Versorgung erhöhen das Sterberisiko erheblich. Ganz zu schweigen

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