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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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weniger. Mit der Folge, dass Lampe mitunter auch im Sommer den Kamin anfeuern musste. Um kurz vor Acht ging Kant zu seinen Vorlesungen an die Uni, um exakt ein Uhr saß er wieder zuhause am Mittagstisch. Dazu lud er sich regelmäßig Gäste zum gelehrten Small Talk ein: mindestens drei, nach der Zahl der Grazien in der römischen Mythologie, und nicht mehr als neun, nach der Zahl der Musen in der griechischen Mythologie. Pro Gast wurde exakt eine halbe Flasche Wein ausgeschenkt. Bier hingegen gab es nie, denn das hielt Kant für ein schleichendes Gift. Als er eines Tages von einem Mann hörte, der in seinen besten Jahren gestorben war, kommentierte er nur knapp: »Vermutlich hat er Bier getrunken.«
    Die Tischgesellschaft, zu der stets nur Männer gehörten, tagte bis 17 Uhr. Tischgebete wurden von Kant bereits im Keim unterbunden, und Kinder durfte auch niemand mitbringen. Was ziemlich exakt Kants Vorstellungen zur Familie widerspiegelte: Er blieb zeit seines Lebens Junggeselle – und tröstete sich damit, dass unverheiratete Männer »mehrenteils länger ein jugendliches Aussehen« hätten als ihre verheirateten Pendants.
    Kant selbst war der beste Beweis für diese These. Bis kurz vor seinem Tod wurde er niemals ernsthaft krank. Es ging ihm allerdings auch nie richtig gut, dazu war seine Konstitution
einfach zu schlecht. Sein Biograf Reinhold Bernhard Jachmann schreibt: »Kants Körper war von der Natur gewiss nicht zu einer achtzigjährigen Lebensdauer bestimmt. Er hat der Natur das Leben abgezwungen. Das ganze Gebäude seines Körpers war so schwach, dass nur ein Kant es so viele Jahre unterstützen und erhalten konnte.«
    Erst gegen Ende seines Lebens plagte sich Kant mit einer hartnäckigen Gicht. Den Ratschlag seines Arztes, doch bitte weniger Fleisch, Würste und Wein zu vertilgen, ignorierte er allerdings. Stattdessen steckte er einfach seine Finger in eiskaltes Wasser – und empfahl dies auch in einem Aufsatz für die Zeitschrift Journal der practischen Arzneyheilkunde . Zu seinen weiteren Gesundheitstipps gehörte, nicht länger als sieben Stunden zu schlafen, denn das Bett sei »das Nest einer Reihe von Krankheiten«. Außerdem: keinen Mittagsschlaf halten (obwohl Kant selbst regelmäßig vor seinen Nachmittagskonversationen einnickte), im kalten Zimmer schlafen (obwohl er sich im Winter die Decke über den Kopf zog) und immer wieder – zwecks besserer Verdauung – ein Pfeifchen rauchen (obwohl die Lunge in seiner Trichterbrust sicherlich nicht zu seinen starken Organen zählte).
    Vermutlich trugen diese Maximen weniger wegen ihres Inhalts als aufgrund ihres Anspruchs an die Selbstdisziplinierung zur Gesundheit ihres Erfinders bei. Welche einzigartigen Dimensionen Kant in dieser Hinsicht erreichen konnte, zeigen auch seine Spaziergänge. Diese verliefen jeden Tag auf gleicher Route, und zu dieser Route gehörte eine Kirchturmuhr, die stets die gleiche Zeit zeigte, wenn er vorbeikam. Als sie einmal eine andere Zeit präsentierte, wussten die Einwohner Königsbergs, dass man sie nachstellen musste. Denn eher ging ein Uhrwerk falsch, als dass der Philosoph in seinen Aktionen unpräzise sein könnte.
    Ein weiterer lebensverlängernder Faktor war Kants Gelassenheit mit den typischen Begleiterscheinungen des Alters. So hatte er mit Ende Siebzig große Probleme mit seiner Konzentration,
immer wieder kippte er schlafend vom Stuhl und konnte oft danach nicht von allein wieder aufstehen, weil ihm schwindelig war. Er blieb dann geduldig auf dem Boden liegen und wartete, bis entweder der Schwindel verschwand oder Hilfe kam. Einmal sank sein Kopf beim Lesen ins Kerzenlicht, sodass seine Nachtmütze in Flammen stand. Doch auch hier blieb er cool. Wort- und klaglos legte er die brennende Mütze auf den Boden und trat das Feuer mit den Füßen aus. Er begleitete solche Unfälle mit Sprüchen wie: »Meine Herren, ich bin alt und schwach, Sie müssen mich wie ein Kind betrachten.«
    Dann kam der 12. Februar 1804. Kant lag ermattet in seinem Bett. Er streckte seinen Körper noch einmal in eine gerade, völlig symmetrische Position – so, wie er es immer machte, wenn er sich schlafen legte, und so, wie er auch sein komplettes Leben geführt hatte – und starb.
    Warum Goethe alt wurde – und Schiller nicht
    Kant gehörte zu einer Berufsgruppe, deren Vertretern man generell ein langes Leben zutraut. Denn einem Philosophen unterstellt man, über den Dingen zu stehen, wenig Stress zu haben und sich nicht in

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