Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
Vom Netzwerk:
fort?«
    »Aber nein! Er ist unten, zusammen mit Mr. Macgregor und einem anderen Mann aus seinem Clan.«
    »Macdonald oder Macgregor?«
    »Macdonald«, erklärte die kleine Frau und räumte die kalte Milchschale ab.
    »Ein großer Rothaariger?«
    »Oh nein, der ist schon früher mit einem Teil von Macgregors Männern weggeritten. Ich weiß nicht, ob er heute Nacht die Treppe hinuntergefallen ist – der Radau, den ich gehört habe, war jedenfalls laut genug –, aber er sah heute Morgen aus, als wäre er gar nicht gut zurecht.«
    Marion vermochte ein Lächeln nicht zu unterdrücken. Noch war nicht alles verloren.

    Chesthill war ein kleiner Landsitz aus grauem Stein, dessen Türen, Fenster und Ecken mit Quadersteinen eingefasst waren. Verglichen mit den Residenzen mancher anderer Chiefs aus dem Campbell-Clan erschien das Haus des Laird von Glenlyon recht bescheiden. Doch Marion machte das nichts aus; sie war hier zu Hause. Das Tal, in dem sie lebte, war als eines der üppigsten und fruchtbarsten im Westen der Highlands bekannt. Nach zwei weiteren Tagen erfolgloser Nachforschungen hatte sie Rob vorgeschlagen, dort Halt zu machen, um sich mit Proviant zu versorgen. Außerdem freute sie sich darauf, ihren jüngeren Bruder David wiederzusehen und ein schönes Bad zu nehmen. Sie war es gründlich leid, sich in einem Bottich stehend mit eiskaltem Wasser zu waschen und dann die schmutzigen Kleider wieder anzuziehen.
    Um auf ihrer Suche ein größeres Gebiet abzudecken, hatte Rob Roy die Gruppe zweigeteilt. Ein Teil der Männer sollte die
Gegend weiter im Westen durchkämmen, während er und einige andere sich das Gebiet im Osten von Strathfillan vornahmen. Einmal glaubten sie, endlich Johns Spur gefunden zu haben. Ein Schmied versicherte, er habe vor drei Wochen ein Stück an seinem Zaumzeug geflickt. Das war eine Woche nach der Schlacht von Sheriffmuir gewesen. Marion war tief bestürzt gewesen. Gewiss, sie war erleichtert darüber, dass ihr Bruder am Leben war; doch diese Information sprach zugleich für Breadalbanes Vermutung, er sei geflohen. Was hatte John mit dem Dokument angefangen? Die düstersten Mutmaßungen gingen ihr durch den Kopf und bedrückten sie.
    Sie drehte sich ein wenig im Sattel und schaute nach hinten. Duncan folgte ihr in einigem Abstand. Seit ihrer letzten Auseinandersetzung trug er eine undeutbarere Miene zur Schau, die sie zu ärgern begann. Doch sie wusste, dass er hinter seinem aufgesetzten Gleichmut angespannt und unruhig war, denn für einen Macdonald war Chesthill keineswegs die tröstliche Zuflucht, die es für sie darstellte.
    Vor dem Herrenhaus standen zwei Männer Wache. Als die kleine Gruppe sich näherte, richteten sie sich auf und legten die Hand an die Waffen. Doch Marion ließ ihre Kapuze auf die Schultern gleiten, so dass ihr leuchtend rotes Haar über ihren Rücken fiel. Die Wachposten setzten sich in Bewegung und öffneten die Torgitter. Erleichterung und Freude stiegen in der jungen Frau auf. Nach drei Monaten war sie endlich wieder zu Hause.
    Es dauerte ein wenig, bis ihre Augen, die an das grelle, von der verschneiten Landschaft widergespiegelte Sonnenlicht gewöhnt waren, sich auf das Halbdunkel in der Eingangshalle einstellten. In dem Raum herrschte eine angenehme Wärme, und ein köstlicher Duft nach Schweinefleischpastete hing in der Luft. Auf keinen Fall durfte sie vergessen, Amelia zu bitten, ihnen einmal ihren wunderbaren Rinderbraten zu kochen, bevor sie wieder aufbrachen. Sie hatten vor, nur einen oder zwei Tage zu bleiben.
    Sie hängte ihren Umhang an die Wand und begegnete kurz Duncans Blick. Seitdem er im »Black Oak« ihre Zimmertür zugeschlagen
hatte, war der junge Mann sehr schweigsam gewesen. Höflich verhielt er sich schon ihr gegenüber; doch er hatte sich eine kühle und distanzierte Haltung zugelegt. Marion machte sich schreckliche Vorwürfe. Sie wusste genau, dass sie selbst daran schuld war: Mit einer einzigen verletzenden Bemerkung hatte sie das zarte freundschaftliche Band zerstört, das in Perth zwischen ihnen gewachsen war. Aber sie war sich ganz sicher, dass Duncan hinter seiner scheinbaren Gleichgültigkeit noch Gefühle für sie hegte. Oft hatte sie seither dieses seltsame Leuchten wahrgenommen, das seinen Blick erhellte … so wie in diesem Moment.
    »Ich will Amelia Bescheid geben, dass wir hier sind, und sie bitten, noch einige Gedecke aufzulegen. Geht doch solange ins Arbeitszimmer«, schlug sie vor und wies mit einer Kopfbewegung auf die

Weitere Kostenlose Bücher