Lanze und Rose
drohenden Blick zu und verzog mürrisch das Gesicht.
»Es tut mir leid…«, stammelte er beschämt und versuchte, ihre Hand zu nehmen.
Sie stieß ihn weg und starrte ihn finster an.
»Hast du Allan hergeschickt?«
Während du dich im Heu gewälzt hast!
Duncan wurde bleich. Sprachlos sah er sie an. Sofort bereute sie ihre Worte, doch es war zu spät. Vor lauter Zorn und Enttäuschung waren sie ihr einfach entschlüpft.
»Sag einmal, bist du noch richtig im Kopfe?«
Sein Gesicht wirkte furchterregend blass. Gekränkt biss sie sich auf die Lippen.
»Du glaubst, ich hätte Allan mit hergebracht, damit er dich …
Nein, also wirklich! … Was bist du nur manchmal für eine Giftschlange? Inzwischen müsstest du eigentlich wissen, dass ich dir kein Leid antun will, Marion Campbell … Ganz im Gegenteil. Ich dachte, wir hätten Waffenstillstand geschlossen… Ich habe geglaubt…«
Verwirrt und erregt unterbrach er sich und sprach dann in schroffem Tonfall weiter.
»Ich gehe zurück in den Stall, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Anschließend reite ich nach Glencoe weiter. Ist dir das so recht?«
In den Stall? Er schlief im Stall? Daher kam also das Heu …
»Natürlich, der Stall!«
Duncan, der sie missverstand, beugte sich mit harter Miene über sie.
»Ja, natürlich der Stall! Da, wo man die einfachen Reisenden hinsteckt, wenn keine Zimmer mehr frei sind. Aber mach dir keine Gedanken um mich, ich bin daran gewöhnt.«
Sie sah unverwandt auf die Brosche der Macdonalds und spürte, wie ein bedrückendes Gefühl der Ratlosigkeit sie ergriff. Und die Frau? … Wie dumm sie gewesen war! Aber trotzdem war er nicht ihretwegen gekommen; er war aus der Armee desertiert und floh nach Glencoe.
Schwach fiel das erste Morgenlicht durch die Spalten in den Fensterläden. Sie hatte das seltsame Gefühl, das hier schon einmal erlebt zu haben, und spürte einen bitteren Geschmack im Mund. Ihr Bruder hatte recht: Sie musste unbedingt lernen, den Mund zu halten.
»Eigentlich wollte ich dir einfach nur meine Hilfe bei der Suche nach dem Dokument anbieten, Marion«, sagte Duncan leise, nachdem er lange geschwiegen hatte.
Er wirkte verunsichert und enttäuscht. Seine Hand lag auf der Türklinke, doch er zögerte noch. Marion erstickte fast vor Reue. Ausnahmsweise wusste sie nichts zu sagen, doch das war vielleicht auch besser so. Sobald sie den Mund aufmachte, kamen ja doch nur Dummheiten heraus.
»Ach, verdammt nochmal!«
Auf der Schwelle verhielt er noch einmal, dann knallte er die
Tür zu und ließ sie einmal mehr mit ihrer Beschämung und Verwirrung allein.
Marion schlug die Augen auf, nachdem sie einige Stunden lang unruhig geschlafen hatte. Im Zimmer war es so hell, dass sie geblendet die Augen zusammenzog. Der Reif, der sich auf dem Fensterbrett gebildet hatte, glitzerte. Es war so kalt … Die Kohlenpfanne war erloschen, und ihre Füße fühlten sich an wie Eisklumpen. Mühsam richtete sie sich im Bett auf und rieb sich heftig die Arme. Als ihr Blick auf die Milchschale fiel, die noch auf dem Tisch stand, verzog sie angeekelt das Gesicht. Ihr Magen tat knurrend seine Unzufriedenheit kund, aber sie hätte nicht sagen können, ob er sich vor Hunger krümmte, oder ob ihr die Aussicht zu schaffen machte, Duncan könnte bereits nach Glencoe aufgebrochen sein. Ein weiteres Brummeln ließ sich aus ihrem Bauch vernehmen. Vielleicht lag es ein wenig an beidem. Wenn er fort ist, dann hast du das ganz allein dir zuzuschreiben. Dir und deiner scharfen Zunge!, schalt sie sich verbittert.
Ein leises Kratzen an der Tür riss sie aus ihren Überlegungen. Die Frau des Herbergswirts steckte ihr lächelndes, rosiges Gesicht ins Zimmer.
»Ah! Ihr seid erwacht.«
Sie schob die Tür auf und trat mit einem Tablett, auf dem sich verschiedene Esswaren befanden, herein und setzte es am Fußende des Bettes ab.
»Mr. Macgregor bittet Euch, Euer Frühstück so rasch wie möglich einzunehmen.«
»Wie spät ist es?«, fragte Marion träge und rekelte sich wie eine Katze.
»Wir haben zehn Uhr, Madam.«
»Zehn Uhr? Herrgott! Sagt Macgregor, dass ich gleich hinunterkomme.«
»Sehr wohl.«
»Oh! Noch etwas anderes…«
»Ja?«
»Der Mann, der heute Nacht hier war…«
Die blonde Frau lächelte verschwörerisch und zwinkerte ihr zu.
»Der gut aussehende große Mann mit dem dunklen Haar und der Narbe auf der Wange?«
Marion biss sich auf die Lippen, um eine bissige Antwort zu unterdrücken.
»Ja, genau der. Ist er schon
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