Lanze und Rose
Schraubstock.
»Ran!«, schrie ich, von Panik ergriffen.
Doch er antwortete mir nicht, und ich hörte auch Seamrags Bellen nicht mehr.
»Oh mein Gott!«
Immer noch vermochte ich mich nicht zu bewegen; etwas Unsichtbares hielt meine Beine fest. Ich zappelte. Es war heiß hier, schrecklich heiß! Dicke Schweißperlen liefen mir über das Gesicht. Wo war mein Sohn? Ich hatte meinen Sohn verloren!
»Ranald!«
Im Bett regte sich etwas und gab meine Beine frei. Schwer atmend, die Finger in mein feuchtes Hemd gekrallt, versuchte ich, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Die Kerze war verloschen. Ich hatte geträumt… Wieder einmal.
»Colin?«
In der kalten Luft fühlte sich mein Hemd, das mir auf der Haut klebte, eisig an. Ich zitterte und hörte, wie er näher kam.
»Nein, ich bin es…«
Mir stockte das Blut in den Adern. Liams tiefe Stimme traf mich mitten ins Herz, und ein unkontrollierbares Zittern ergriff mich. Von neuem wurde mir übel. Ich beugte mich über den Bettrand, versuchte, den neuen Anfall zu unterdrücken und tastete nach der Waschschüssel. Liam zog mich hoch und stellte mir die Schüssel auf die Knie. Mein Magen beruhigte sich, und die Krämpfe ließen nach.
»Besser?«, fragte er ein wenig kühl.
Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich wusste, dass er mir ganz nahe war.
»Ich glaube schon.«
Er nahm die Waschschüssel und schob sie unter das Bett. Wie lange war er schon hier? War Colin noch im Zimmer gewesen, als er gekommen war? Was hatte er gesehen?
»Liam?«
Der beißende Geruch nach Erbrochenem hing im Raum, schnürte mir die Kehle zu und drehte mir den Magen um. So, wie ich aussehen musste, hoffte ich nur, dass Liam die Kerze nicht anzünden würde. Es war tröstlich, ihn in meiner Nähe zu wissen, doch es würde mich zerreißen, ihn zu sehen. Das Bett senkte sich, und eine große, warme Hand strich mir über die Stirn, dann über die Wangen. Ich fuhr zusammen und wich zurück. Er nahm die Hand weg.
»Das wird schon wieder«, sagte er zögernd.
Bilder stiegen vor meinem inneren Auge auf: Liam und Margaret, die nackt in unserem Bett lagen und sich küssten, einander liebkosten… Es gelang mir nicht ganz, sie wegzuschieben. Liam hatte sich aufgesetzt und wahrte einen Abstand zwischen uns. Eine furchtbare Distanz von nur wenigen Zoll, die mir jedoch wie ein Abgrund vorkam. Sein Atem ging langsam, doch ich wusste, dass er sich beherrschte.
»Ich habe Durst…«
Tatsächlich fühlte ich mich wie ausgetrocknet. Schwindlig
war mir nicht mehr, aber immer noch übel. Bei jeder Bewegung schien mir der Kopf platzen zu wollen. Das Bett, das plötzlich von Liams Gewicht befreit war, hob sich wieder. Ich hörte, wie er im Zimmer herumkramte und dann zurückkehrte.
»Hier«, sagte er und tastete über das Bett, um meine Hand zu finden, in die er eine Feldflasche drückte. »Es ist Wasser.«
Ich nahm einen sarkastischen Unterton in seiner Stimme war.
»Danke«, antwortete ich schroff.
Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht. Liam wurde von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt.
»Bist du krank?«
»Tuch! Du solltest nicht sprechen.«
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, den er leider nicht sehen konnte.
»Wo ist Colin?«, fragte ich in einem Tonfall, der meiner Stimmung ziemlich genau entsprach.
»Er ist ins Feldlager zurückgekehrt.«
Ich zog den Kopf zwischen die Schultern und biss mir auf die Lippen.
»Liam… Du darfst nicht glauben…«
»Ich glaube gar nichts, Caitlin«, fiel er mir trocken ins Wort. »Außerdem, welches Recht hätte ich, dir Vorwürfe zu machen?«
»Keines«, gab ich bissig zurück. »Es ist nur so, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe.«
Hinter der vorgegebenen Kühle war seine Stimme voll unausgesprochener Anspielungen gewesen. Es bereitete mir ein gewisses Vergnügen, mir vorzustellen, wie er bei dem Gedanken gelitten haben mochte, dass ich vielleicht mit seinem Bruder gelegen hatte. Dabei war er derjenige, der untreu gewesen war!
Der Stuhl knarrte erneut; Liam hatte sich bewegt. In der Herberge war es still. Nur draußen waren noch einige Nachtschwärmer unterwegs. Das erinnerte mich daran, dass heute Hogmanay 32 gefeiert wurde. Doch für uns begann das Jahr ziemlich schlecht.
»Haben die Glocken geläutet?«
»Ja, um Mitternacht.«
Seine Stimme klang jetzt weicher.
»Aha… und wie lange ist das jetzt her?«
»Drei Stunden, vielleicht vier.«
Ich ließ die Feldflasche auf den Boden fallen und zog das Federbett bis über meine zitternden
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