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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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komponieren. Er zog ein Register aus dem Schreibtisch, legte es darauf und begann mit offensichtlicher Langeweile darin zu blättern. Schließlich schlug er die Seite mit den letzten Eintragungen auf.
    »Familienname?«
    »Macdonald.«

    Dieses Mal schien er gut verstanden zu haben, denn er wiederholte den Namen nicht, sondern maß uns mit einem eher neugierigen und beunruhigenden Blick.
    »Aha!«
    Mit einem Finger, an dessen Sauberkeit ich arge Zweifel hegte, fuhr er über die Namensliste und rasselte aufs Geratewohl ein paar davon herunter. Dann kam der Finger auf der vorletzten Seite zum Halten.
    »Da haben wir es ja. Frances Macdonald von Glencoe … siebzehn Jahre … rotbraunes Haar…«
    »Schon gut! Ich weiß, wie meine Tochter aussieht. Ich möchte wissen, wo sie ist!«, wiederholte ich ein wenig gereizt.
    »Wo sie ist … Wo sie ist… Mal sehen. Am 23. Dezember letzten Jahren festgesetzt in Lochaber, in Haft genommen in Fort William … Am 26. hierher verlegt, abgeurteilt am 3. Januar…«
    Er verzog das Gesicht, und mir blieb fast das Herz stehen.
    »Esss tut mir leid, Madam…«
    »Was genau tut Euch leid?«
    Mir wurden die Knie weich; Marion fasste mich unter, um mich zu stützen. Der junge Soldat rieb sich verlegen das bartlose Kinn.
    »Also, das Gericht hat sie ins Loch unter der Brücke gesteckt, Madam. Für sssechs Tage.«
    »Ins Loch? Sechs Tage? Aber sie war unschuldig, Herrgott! Warum haben sie das getan?«
    Ich war außer mir. Mein Kind … Meine kleine Tochter … behandelt wie eine Verbrecherin. Was mochte aus ihr geworden sein? Sechs Tage … Dann musste sie am neunten Januar freigelassen worden sein. Das war jetzt zwei Wochen her.
    »Sie war der Mittäterschaft bei einem Mord angeklagt… Eingedenk ihres Alters und Geschlechts und des Mangels an Beweisen … ist die Strafe sehr milde ausgefallen.«
    »Aber wo befindet sie sich jetzt?«, gab ich zurück und schrie beinahe.
    Hilflos zuckte der Soldat die Achseln.
    »Dasss kann ich Euch nicht sagen, Madam. Darüber sssteht nichts im Register.«

    Er hob einen Finger, was mich ein wenig beruhigte.
    »Ah, aber vielleicht… Ich weiß von einem Pastor, der sich häufig um solch arme Menschen kümmert.«
    Konzentriert legte er die Stirn in Falten; dann hellte seine Miene sich auf.
    »Ach ja, er heißt Reverend Ssshizolm. William Ssshizolm.«
    »William Chisholm… gut, danke.«
    Ich wollte mich schon zum Gehen wenden, als mir auffiel, dass ich ganz vergessen hatte, mich nach Trevor zu erkundigen.
    »Ich vergaß, Mr. …«
    »Muck. Redsssinald Muck.«
    »Zusammen mit meiner Tochter ist ein Mann hierher überstellt worden. Ihr Ehemann.«
    »Ihr Ehemann? Und sein Name?«
    »Trevor Alexander Macdonald.«
    »Hmmm… Ja, in der Tat. Sie sind zusammen eingetroffen. Trevor Macdonald ist einen Tag nach Eurer Tochter abgeurteilt worden. Die Fälle sind getrennt behandelt worden. Er war des Mordes an einem Sssoldaten Seiner Majestät König George angeklagt, eines Sssergeanten. Das Urteil lautete … schuldig, und die Strafe… ähem… Tod durch Erhängen, fürchte ich.«
    »Oh Gott!«
    Ich klammerte mich am Schreibtisch fest; dann fand ich mich mit einem Mal auf einem Stuhl sitzend und mit einem Glas Wasser in der Hand wieder.
    »Wann soll das Urteil denn vollstreckt werden?«
    »Er ist am 20. Januar aufgehängt worden, Madam. Um Punkt acht Uhr morgens, zusammen mit zwei anderen Delinquenten.«

    Kräftige Hände packten mich an den Schultern und schüttelten mich heftig. Von unsagbarem Entsetzen ergriffen, riss ich die Augen auf und keuchte laut. Es war dunkel und feucht. Das Loch … Ich saß zusammen mit Frances im Loch.
    »Neiiin, Frances …«
    »Ist ja gut, Caitlin«, sagte eine ernste Stimme zu mir.

    Das war ja gar nicht Frances. Ein Soldat? Wo war meine Tochter? Und woher kannte dieser Bastard meinen Namen?
    »Wo ist Frances? Was habt Ihr mit meiner Tochter gemacht, Ihr dreckiger…?«
    »Ganz ruhig, a ghràidh , du hattest einen Albtraum.«
    Ich schluchzte auf. Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und jetzt vermochte ich die Konturen von Liams Gesicht zu erkennen. Langsam entspannte ich mich.
    »Ich habe gehört, wie sie nach mir rief… Aber ich konnte sie nicht sehen. Sie schien so weit weg zu sein, und so verzweifelt, Liam.«
    »Wir werden sie schon wiederfinden«, flüsterte er begütigend. »Morgen machen wir uns auf die Suche.«
    »Vielleicht ist sie schon tot!«, rief ich unter Tränen aus. »Mein Gott! Noch ein Kind zu verlieren,

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