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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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das ertrage ich nicht.«
    »Sie ist nicht tot«, gab Liam ein wenig schroff zurück. »Wenn sie nach dir gerufen hat, ist das ein Zeichen dafür, dass sie noch lebt.«
    »Diese Bastarde haben sie ins Loch gesteckt! Wie hätte sie das überleben sollen?«
    »Sie ist stark und genauso dickköpfig wie du. Sie hat sich bestimmt nicht so einfach unterkriegen lassen.«
    Er tat mir weh, und ich zappelte, um mich aus seinem Griff zu befreien. Sofort gab er mich frei und ließ sich mit einem unheilverkündenden Knarren neben mir auf die Matratze fallen.
    Das Feuer in der Kohlenpfanne war ausgegangen; nur noch ein wenig Glut glomm darin. Wenn Trevors Hinrichtung mir schon fast das Herz brach, dann fragte ich mich, in welchem Zutand sich meine Tochter befinden mochte. Ob sie noch von dem Urteil erfahren hatte, bevor sie ins Loch gewandert war?
    Bei dem berüchtigten »Loch« von Inverness handelte es sich um eine kleine Zelle, die unterhalb der Fahrbahn der Brücke über den Ness eingelassen war. Eine gewisse Mary Macbean, die in unserem Tal auf der Durchreise war, hatte mir vor einigen Jahren davon erzählt. Man hatte die arme Frau dort hineingesteckt, weil sie einer Nachbarin Milch und einen Sack ungemahlene Gerste gestohlen hatte. Sie hatte mir erklärt, dort sei es so
eng, dass man sich nicht bewegen könne. Allerhöchstens könne man sich zum Schlafen zusammenkauern. Und das unaufhörliche Donnern von Hufen und menschlichen Schritten lasse einem schier den Kopf platzen. Wenn Frances schon von dem Urteil gegen ihren Mann gewusst hatte, als man sie dort einsperrte, mochte das Loch zu ihrem Grab geworden sein.
    Liam zog mich an sich, und ich legte die Wange an seine Brust. Ich hörte sein Herz gleichmäßig schlagen, und sein Atem ging tief und beherrscht. Doch ich spürte, dass er ebenso besorgt war wie ich. Beruhigend strich er über mein Haar.
    »Morgen suchen wir diesen Reverend auf… Chisholm war sein Name, nicht wahr?«
    »Hmmm…«
    »Bestimmt hat eine mildtätige Seele sie irgendwo aufgenommen … Wenn sie nicht bereits nach Glencoe zurückgekehrt ist.«
    Er schloss mich in die Arme und umgab mich mit seiner Wärme.
    »Und du?«, fragte ich leise. »Wie fühlst du dich jetzt?«
    Er antwortete nicht gleich, sondern zog mit den Fingern kleine Muster auf meinem Rücken, wobei mich Schauer überliefen.
    »Es ist ganz schrecklich, das auszusprechen, aber … Ich fühle mich viel besser seit… nun ja, seit unserer Begegnung mit dem Deserteur.«
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus und verstummte. Sein regelmäßiger Herzschlag beruhigte mich. Ich war kurz davor, erneut in Morpheus’ Arme zu sinken, als ich spürte, wie er sich unter meiner Wange anspannte. Ein wenig benommen hob ich den Kopf, und er schob mich sanft zur Seite.
    »Da ist jemand«, flüsterte er und stieg aus dem Bett.
    »Wer denn? Wo?«, stammelte ich und richtete mich auf.
    Schattenhaft sah ich, wie er das Zimmer durchquerte. Im ersten Morgengrauen schimmerte der Dolch, den er in der Hand trug. Jemand kratzte an der Tür.
    »Heh, Liam!«, murmelte jemand auf der anderen Seite.
    »Herrgott noch einmal!«
    Er öffnete die Tür und ließ einen leicht verlegenen MacEanruigs ein.

    »Ist es nicht ein wenig zu früh, um andere Leute aufzuwecken?« , brummte Liam und steckte den Dolch zurück in die Scheide. »Wenn du gekommen bist, um Klage über Angus zu führen, dann schwöre ich dir…«
    »Nein, das ist es nicht. Ich befolge nur deinen Befehl. Du hast gesagt, wir sollten kommen, wenn jemand auftauchen würde … Wir hatten Besuch.«
    Liam runzelte die Stirn.
    »Die Frasers? Dachte ich mir doch, dass dieser verflixte Ross plaudern würde.«
    »Aber nein! Es war nicht die Miliz, sondern der Sohn des Bäckers, Ian Mor Mackintosh«, stellte Donald richtig und winkte einen Burschen herein, der, von Angus bewacht, im Korridor wartete.
    Ein Junge von dreizehn oder vierzehn Jahren trat ins Zimmer. Er warf mir einen etwas erschrockenen Blick zu und wandte sich dann sofort ab. Liam, der an der Wand lehnte, musterte ihn einen Moment lang. Er zog die Augen zusammen und kratzte sich das Kinn.
    »Du hast mich gesucht, junger Mann?«, fragte er, sichtlich neugierig darauf, was der Bursche von ihm wollte. »Was gibt es denn so Wichtiges, dass es nicht bis zum Morgen warten kann?«
    Wir befanden uns erst seit wenigen Stunden in der Stadt. Wie konnte der Junge von unserer Anwesenheit wissen? Angesichts der hünenhaften Gestalt Liams, der wieder seinen Dolch gezogen hatte,

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