Lanze und Rose
Augen aufsperrte wie ich. Ratlos runzelte sie die Brauen.
»Kennt ihr euch?«
»Caitlin… Macdonald?«, fragte der junge Mann mit ausdrucksloser Stimme.
»Ah, ihr kennt euch. Caitlin ist Patricks Schwester…«
Sein Gesicht hatte eine gräuliche Färbung angenommen. Nervös fuhr er mit der Hand durch sein zerzaustes Haar und blinzelte dann, ohne den verblüfften Blick von mir zu wenden.
»Caitlin Dunn … Und ich hatte Euch die ganze Zeit vor der Nase!«
Immer noch hielt er seinen Lohn in der Hand. Langsam stand ich auf. Seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. Sàra bemerkte die angespannte Atmosphäre und erbleichte nun ihrerseits.
»Irgendetwas entgeht mir hier«, richtete sie das Wort an mich. »Könntest du mir erklären, was hier vor sich geht?«
Der Mann stopfte sein Geld in die Innentasche seiner Weste. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber sein Blick blieb kalt und nahm sogar einen drohenden Ausdruck an. Überheblich musterte er mich. Diese blaugrünen Augen… Etwas in seinen Zügen erinnerte mich an jemanden.
Gordon hatte sich rascher als ich von seiner Überraschung erholt und tat einen Schritt auf mich zu. Instinktiv wich ich zurück, um den Abstand zwischen uns zu wahren.
»William«, schaltete sich Sàra sichtlich besorgt ein, »könnt Ihr mich bitte aufklären?«
»Dieser Mann ist ein Spion, Sàra«, sagte ich, um sie nicht ganz im Dunklen zu lassen. »In Perth hat er mich bedroht und mir ein Messer an die Kehle gesetzt.«
»W… was?«
Ich ließ weder Gordon noch den Dolch, der an seinem Gürtel hing, aus den Augen. Reglos maßen wir einander mit Blicken. Er schien nicht die geringste Angst vor meinen Enthüllungen über seine Person zu haben.
»Ich sollte ihm alles verraten, was ich über das Komplott von Argyles Sohn wusste.«
»William, was soll das heißen?«
»Das ist jetzt nicht mehr von Bedeutung«, gestand er mit leiser Stimme. »Der Sohn des Duke hat einen Rückzieher gemacht.«
»Aber die gedungenen Mörder…«, entfuhr es Sàra.
Ihre Worte hatten die Wirkung eines Pistolenschusses. Gordon fuhr zusammen und sah sie mit eisigem Blick an.
»Wovon redet Ihr?«
Sie sah mich hilflos und erschrocken an. Mit einer Geste bedeutete ich ihr, nichts weiter zu sagen.
»Diese feige Bande hat mich im Stich gelassen!«, zischte Gordon.
Äußerlich gab er sich gelassen, doch seine unbeholfenen Bewegungen verrieten seinen inneren Aufruhr.
»Dann muss ich eben allein zurechtkommen …«
Er war der erwartete Bote gewesen! Dann mussten die Mörder die Herberge bereits verlassen haben und nach Dunnottar aufgebrochen sein. Das Täuschungsmanöver hatte Erfolg gehabt. Aber wo blieb Marion? Sie war noch nicht zurückgekehrt. Mein Herz zog sich zusammen, und eine ungute Vorahnung beschlich mich. Und wenn nun etwas schiefgegangen war?
Jemand packte mich am Handgelenk und zerrte mich brutal hoch.
»Ihr kommt mit mir.«
»Wie bitte?«
»Ihr glaubt doch nicht, dass ich ohne ein Faustpfand gehen werde, das ich gegen mein Leben eintauschen kann, falls ich in Schwierigkeiten gerate? Und außerdem hat Euer Mann mich zusammengeschlagen. Ich möchte ihm mit gleicher Münze herausgeben. Ihr seid ziemlich hübsch. Bestimmt werdet Ihr ihm fehlen…«
»Das könnt Ihr nicht machen!«, fiel Sàra heftig ein und versuchte, sich zwischen uns zu stellen.
Er stieß sie ohne Federlesens weg. Ich versuchte, mich loszureißen, erstarrte aber sofort, als ich den kalten Stahl eines Pistolenlaufs im Nacken spürte. Caitlin! Jetzt steckst du aber mal wieder in Schwierigkeiten!
»Wenn Ihr schreit, Mylady, schieße ich ihr das Gehirn weg!«, drohte er und zerrte mich zur Tür. »Und das wäre doch schade…«
Sàra war vor Angst wie gelähmt und vollständig von ihrer
Panik überwältigt. Ihr Schrei erstarb auf ihren Lippen. Und natürlich waren die Dienstboten nie zu sehen, wenn man sie wirklich brauchte! Gordon zog mich hinter sich her in den Korridor, dann in die Eingangshalle und ergriff einen Umhang, den er auf einer Bank liegen gelassen hatte. Auch seinen Rock nahm er mit.
»Wohin bringt Ihr mich?«
»Nach Montrose. Da habe ich etwas zu erledigen«, erklärte er. »Das mit Euch ist etwas anderes; eine persönliche Angelegenheit.«
Er schwieg einen Moment lang und warf dann einen Blick in den Korridor. Man hörte Sàras Absätze über das Parkett klappern, und dann brach unter den Dienstboten Verwirrung aus; entsetzte Schreie waren zu hören. Montrose … Er hatte vor, den
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