Lanze und Rose
Prätendenten selbst zu ermorden. Aber was hatte ich damit zu tun?
»Los!«, knurrte er und stieß mich mit dem Lauf seiner Waffe an. »Wir haben keine Zeit zu verlieren und müssen sofort aufbrechen.«
»Ich habe nichts mit Euch zu schaffen, William Gordon!«, schrie ich.
»Das werden wir noch sehen!«
Er befahl mir, auf sein Pferd zu steigen, das vor der Tür wartete, und sprang hinter mir auf. Dann fasste er mich fest um die Taille und gab dem Tier die Sporen. Wir ritten in den dichten Nebel hinein. Ich warf einen letzten Blick zurück und sah gerade noch, wie Sàra auf der Türschwelle stand, eine Hand vor den Mund geschlagen, um einen Schrei zu ersticken. Jetzt war ich auf dem Weg nach Montrose und einem Mann ausgeliefert, der sich anschickte, einen Königsmord zu begehen. In diesem Moment gab ich nicht mehr viel auf meine Haut.
31
Die Meuchelmörder
Duncan leerte seinen zweiten Krug und beobachtete aus dem Augenwinkel drei Männer von verdächtigem Äußeren, die in einer dunklen Ecke der Herberge die Köpfe zusammensteckten. Marion saß ihm gegenüber und rieb hörbar den Umschlag zwischen den Fingern, so dass die Männer ihn gut erkennen konnten. Wo mochten die anderen sein? Ob sie schon fort waren? Vielleicht war ja der Bote schon gekommen und hatte diese drei gebeten, aus irgendeinem Grund zurückzubleiben. Das hielt Duncan allerdings für wenig wahrscheinlich. Von seinem Platz aus konnte er den Mann erkennen, der sich Mackay nannte. Wirklich nicht gerade Vertrauen erweckend! Offensichtlich war er der Anführer der Bande.
Mackay warf ihnen inzwischen verstohlene Blicke zu. Duncan war klar, dass er den Umschlag und das Siegel darauf bemerkt hatte.
»Er wird nicht kommen«, murmelte Marion und sah diskret zu Mackay hinüber.
»Lass uns noch ein wenig warten. Wenn er dann nicht auf uns zukommt, müssen wir eben … Verflucht! Es ist so weit, mo aingeal .«
Mackay stand langsam auf und sah die beiden misstrauisch an. Dicht gefolgt von seinen zwei Kumpanen trat er auf sie zu. Duncans Hand bewegte sich zum Heft seines Dolchs, und Marion bemühte sich um eine gelassene Miene. Ein bedrohlicher Schatten fiel über sie. Duncan begann sich äußerst unwohl zu fühlen. Schon jetzt bedauerte er, dass er Marion erlaubt hatte, sich auf diese gefährliche Maskerade einzulassen. Er hätte allein gehen sollen, auch auf die Gefahr hin, dass der Plan dann scheiterte. Verschlagen grinsend beugte Mackay sich über Marion.
»Guten Abend, kleine Lady. Wäre es möglich, dass Ihr jemanden sucht?«
»Und Ihr, wartet Ihr auf jemanden?«, gab Marion unbeeindruckt zurück.
Der Mann grinste Unheil verheißend.
»Schon möglich. Aber ich habe mit jemand anderem gerechnet.«
Mit dem Zeigefinger wies er auf den Brief, den Marion auf den Tisch gelegt hatte, damit er nicht bemerkte, dass ihre Hände zitterten.
»Was ist das?«
»Ich weiß nicht genau, wem ich dieses Schreiben übergeben soll«, erklärte sie mit unschuldigem Augenaufschlag. »John hat mich nur gebeten, hier Halt zu machen, und mir versichert, jemand werde mich ansprechen. Der Empfänger des Briefes würde schon wissen…«
»John?«, unterbrach Mackay sie verblüfft.
»Argyle«, erläuterte Marion in demselben gleichmütigen Tonfall. »Der Sohn des Duke.«
Einen Moment lang sagte der Mann nichts. Dann streckte er die Hand nach dem Umschlag aus, doch Marion zog ihn weg, bevor er ihn berühren konnte.
»Woher soll ich wissen, dass Ihr derjenige seid, dem ich das Dokument übergeben soll?«
»Und wer sagt mir, dass Ihr tatsächlich die Person seid, die ich erwarte?«
Dennoch zog er einen Umschlag aus der Tasche und hielt ihn Marion unter die Nase. Duncan ließ die Hände der beiden anderen Halunken, die sich ein wenig im Hintergrund hielten, nicht aus den Augen. Gebrochene Männer , dachte er und musterte sie aufmerksam. Mr. Milne, der Herbergswirt, hatte recht gehabt. Dieser Mackay wirkte ziemlich streitlustig, und trotz seiner Körpergröße war Duncan nicht wohl bei dem Gedanken, dass es zwischen ihnen zu Handgreiflichkeiten kommen könnte. Der Mann war ein wenig kleiner als er, aber kräftig wie ein Stier gebaut. Er hätte mit einer Hand Marions zarten Hals umfassen und brechen können. Bei dieser Vorstellung musste Duncan schlucken.
Mit unsicherer Hand nahm Marion den Umschlag von Mackay entgegen und verglich die beiden Stempel.
»Also, stellt Euch das nun zufrieden?«, fragte Mackay.
»Ja… Ich glaube, Ihr seid der Mann, auf den ich
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