Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
ganzen Zwischenzeit
getan hatten, nur Flirten war, warum hämmerte dann ihr Herz jedes Mal gegen ihr
Brustbein, wenn sie in seiner Nähe war? Warum hatte sie gegen alle Logik und
Vernunft das Gefühl, dass sie zu diesem Mann gehörte?
Als sich jetzt die Schrecken ihrer Vergangenheit
und die Unsicherheit ihrer Zukunft auf sie herabsenkten, brauchte sie etwas
Starkes und Warmes zum Festhalten.
Nicht etwa irgendwas oder irgendjemanden ...
sondern ihn.
Sie brauchte jetzt Kades Wärme und Stärke - selbst
wenn es nur für eine kleine Weile war.
Im Holzschuppen hinter der Hütte war ein
ordentlicher Vorrat von gut abgelagerten gespaltenen Scheiten aufgestapelt,
trocken gehalten in dem engen Schuppen mit Henry Tulaks Initialen über der Tür.
Es war in der Wildnis üblich, dass Wanderer füreinander sorgten, Brennholz und
Lebensmittel für die Nächsten daließen und das Land respektierten, um es zu
bewahren, sowohl für die anderen als auch für sich selbst.
Als sich Kade aus dem Holzvorrat bediente und
Scheite beiseitelegte, überlegte er, was er als Gegenleistung für das Brennholz
dalassen konnte, das er für Alex in der Hütte verbrennen würde. Er kniete sich
hin und öffnete den Reißverschluss seines Ledersacks. Das Einzige darin, was
anderen in der Wildnis nützlich sein konnte, wären seine Waffen, aber seine
Pistolen, mit denen er Rogues verdampfte, waren viel zu wertvoll, um sie
zurückzulassen.
Dann eben ein Messer. Er hatte mehrere in seinem
Bündel.
Als er in den Ledersack griff und eine Klinge
suchte, von der er sich trennen konnte, blieb sein Stiefelabsatz an einem harten,
weißen Gegenstand hängen, der zwischen den Bodenbrettern des Holzschuppens
eingezwängt war.
„Was zum …?“
Er ging zur Seite, um besser zu sehen, was er da
womöglich mit dem Absatz zermalmt hatte. Es war ein Bärenzahn. Das lange,
scharfe Elfenbeinstück war tief zwischen zwei Bretter getrieben, als hätten
schon zahllose Stiefel vor ihm ihn immer tiefer hineingetreten. Aber es war
nicht der Zahn selbst, der Kade das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war
das dünne geflochtene Lederband, an dem er hing.
Genau so ein Lederband war auch an einem anderen
Bärenzahn angebracht, den er erst vor Kurzem gesehen hatte.
Demjenigen, den er in Seths privatem Schatzkästchen
gefunden hatte, verkrustet mit eingetrocknetem Menschenblut. Die grausige
Andenkensammlung eines Killers.
Sein Bruder war hier gewesen.
Himmelherrgott ... hatte Seth den Mann getötet,
dessen abgenagte Überreste man hier letztes Jahr gefunden hatte?
Kade wollte den Beweis in seiner Hand als bloßen
Zufall abtun, aber die Kälte, die sich in seiner Brust ausbreitete, sagte ihm,
dass sein Zwilling letzten Winter genau hier gewesen war, wo Henry Tulak seinen
letzten Atemzug getan hatte.
„Hundesohn“, flüsterte Kade. Obwohl er schon seit
seiner Ankunft in Alaska Beweise dafür gesucht hatte, fühlte Kade sich elend.
Jetzt, wo es keinen Zweifel mehr gab - er spürte
eine Gewissheit, wie sie nur ein eineiiger Zwilling haben konnte -, konnte er
nicht mehr abstreiten, was er schon lange in seinem Herzen gewusst hatte. Sein
Bruder war ein Killer. Nicht besser als die Rogues, die Kade immer gehasst
hatte und nun als Mitglied des Ordens jagte. Wut schäumte in ihm auf, nicht nur
auf Seth, sondern auch auf sich selbst. Darauf, dass er immer noch glauben
wollte, dass das mit seinem Bruder ein Irrtum war. In seinem tiefsten Innern
wusste Kade, dass er sich nicht irrte. Dass es nun keinen Grund mehr gab, um an
Seths abscheulichen Taten zu zweifeln.
Kade stocherte den Bärenzahn mit der Messerspitze
heraus und hielt ihn vor sich, starrte angewidert auf den Beweis, der seinen
Bruder gerade verdammt hatte. Dieser Beweis zwang
Kade nun, zu tun, was gerecht und richtig war -
seine Pflicht zu tun, nicht nur dem Orden gegenüber, sondern als Mann, dessen
persönlicher Ehrenkodex Gerechtigkeit verlangte.
Er musste Seth finden und seinem Morden ein Ende
machen.
Er musste fort, jetzt gleich. Er war in seiner Wut
und Entschlossenheit zu aufgewühlt, um mit Alex zurück nach Harmony zu fliegen;
er würde seinen persönlichen Jagdzug zu Fuß beginnen, denn bis zum
Sonnenaufgang um die Mittagszeit hatte er noch ein paar Stunden. Wenn nötig,
würde er das ganze verdammte Hinterland zu Fuß abgehen - sich die Wölfe zu
Hilfe rufen, um Seth zu finden, wenn er ihn alleine nicht schnell genug
aufspüren konnte.
Kade steckte den Bärenzahn in die Hosentasche
seiner Jeans
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