Lass den Teufel tanzen
Schlimmeres an, wenn er sich nicht im Handumdrehen und so weit wie nur irgend möglich von ihrer hässlichen und reichen Tochter beziehungsweise Schwester entferne, vielleicht aber boten sie ihm auch
Geld an, wer weiß? Oder vielleicht sagten sie auch: »Dann musst du sie heiraten«, und Totò Leporàno hatte gekniffen, weil er erkannte, wie sein zukünftiges Leben aussehen würde – mit diesem Herrn, der nun noch mehr sein Herr sein würde, mit Angelo, der ihn auf Schritt und Tritt überwachen würde, mit Candelora, die vielleicht ebenfalls auf ein gelegentliches Schäferstündchen in seinem Bett gehofft hätte –, und er es sich anders überlegt hatte. Fest steht, dass man von Totò Leporàno von jenem Morgen an niemals wieder gehört hatte.
Fatima legte sich ins Bett und stand fast einen ganzen Monat nicht mehr auf.
Die Vertreibung von Totò Leporàno stellte den Beginn einer langen Pechsträhne im Leben auf Terranera dar, in deren Verlauf sich zahlreiche Bauern auf dem Hof die Klinke in die Hand gaben, eine Unglückszeit, die erst viele Jahre später mit dem Auftauchen von Nunzio Solimene auf dem Gutshof ein Ende fand.
Damals war Solimene gerade aus Procida eingetroffen, mit zwei Töchtern namens Filomena und der wenige Monate alten Archina im Schlepptau. Doch nie und nimmer hätten Fatima und Candelora an jenem lang zurückliegenden Wintermorgen, an dem Nunzio auf dem Hof vorstellig geworden war, erahnen können, dass die Ankunft jenes Mannes in ihrem Hause das Ende ihrer Seelenruhe bedeutete.
Im Haus verrichtete Nunzio alle schweren Arbeiten und Reparaturen, er rückte die Möbel, wann immer eine Umgestaltung oder Renovierung der Räume anstand, er kümmerte sich um das Ein- und Ausladen der Vorräte, wenn
zum großen Markt in Maglie gefahren wurde, in früheren Zeiten mit dem Ochsenkarren und später mit dem dreirädrigen Ape-Lieferwagen. Ab und zu ging er Angelo Santo auch beim Schlachten eines der Schafe zur Hand. Dann verschwanden die beiden ein paar Tage lang, und wenn sie wiederkamen, trugen sie all das in ihrem Gepäck, was ein gutes Schaf seinem Herrn eben hinterlässt: seine letzte Milch, aus der man Käse machen kann, würziges Fleisch, nach dem man sich die Finger leckt, Wolle zum Kämmen und Bleichen und die Haut, die man in der Sonne zum Trocknen aufhängen kann. Oft schickte Angelo Nunzio mit diesen Häuten zu den Trommelbauern der Gegend, die ihm dafür gutes Geld bezahlten – auch das ein lukratives Geschäft.
Nun, da die jüngste seiner beiden Töchter, Archina, etwas größer war, hatte Nunzio Solimene begonnen, sie nach Terranera mitzunehmen. Die ersten Male ließ er sie auf dem Innenhof mit Severino spielen, doch mit der Zeit fanden die Zwillingsschwestern sie oft in der Küche vor, wo sie mager und verdrossen am Tisch saß. Richtete man eine Frage an sie, so antwortete sie nicht, und oft genug stank sie auch. Einige Male hatten sie sie ganz alleine auf der Straße angetroffen, wo sie mit Steinen nach streunenden Hunden warf. Doch was konnte man auch bei einem Vater wie Nunzio erwarten, grübelten die beiden Zwillingsschwestern Santo. Gewiss, er war ein tüchtiger Arbeiter, dieser Nunzio, aber als Mensch … Niemals ein gutes Wort, eine freundliche Geste, eine Plauderei oder ein Lächeln. Nichts. Guten Tag und auf Wiedersehen, das war alles. Jedenfalls empfanden sie keinerlei Sympathie für dieses griesgrämige und halb wilde kleine Mädchen.
Archina war etwa zwölf Jahre alt, als im Dorf das Gerücht
aufkam, sie sei von einer Tarantel gebissen worden, es sei ihr sehr schlecht gegangen, und ebenjene Donna Aurelia, die mit der Familie Solimene aus Procida gekommen war, habe die Musikanten rufen müssen, damit sie drei Tage lang für das junge Mädchen aufspielten, welches dann, nachdem es die ganze Zeit über getanzt hatte, erschöpft zu Boden gesunken und genesen sei. Als das Gespräch auf jene Bisse und auf die Taranteln kam, fühlte sich Fatima in die Vergangenheit zurückversetzt; wieder stieg ihr der Geruch des auf immer verlorenen Totò Leporàno in die Nase, und sie war einen weiteren Monat bettlägerig.
Diese Episode war Monate vor jener schrecklichen Karnevalsnacht im Jahr 1956 vorgefallen, nach der sich Angelo Hals über Kopf in seine Knochenkrankheit gestürzt und fortan und bis ans Ende seiner Tage nicht mehr aus seinem Rollstuhl erhoben hatte.
Fatima und Candelora war es nicht gelungen herauszufinden, was an jenem Abend wirklich auf dem Hof vorgefallen war, in jenen
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