Lass Dich nicht vereinnahmen
Ihnen solche Sätze bekannt vor? »Du bist so was von dumm!« oder: »Du bist so ein Tollpatsch!« oder: »Lass das sein, du kannst es sowieso nicht!«
Sätze wie diese entmutigen. Haben wir sie als Kinder oft gehört, dann hat uns das die Unbefangenheit genommen und unsere Experimentierfreude gehemmt. So haben wir begonnen, an uns zu zweifeln und zahlreiche Ängste zu entwickeln:
Die Angst, zu versagen, die Angst, Erwartungen nicht zu genügen und deshalb abgelehnt zu werden, sowie die Angst, ausgeschlossen zu werden sind typische Beispiele.
Auch Erfahrungen in verschiedenen Peergroups, also mit Spielgefährten und Mitschülern, haben diesen Prozess beeinflusst. Fatal, wenn wir auch hier darin bestätigt wurden, dass Anpassung der Preis dafür ist, dazuzugehören, und dass eigene Wege zu gehen bedeutet, nicht geliebt und ausgeschlossen zu werden. Dann ist es doch besser Ja statt Nein zu sagen, um nicht zum Außenseiter zu werden – oder?
Lebensregeln, die unser Verhalten steuern
»Gemocht werde ich nur dann, wenn ich die Ansprüche anderer erfülle«. (das entspricht vor allem der Pflichtbewussten)
»Andere wissen, was gut für mich ist.« (= vor allem die Unsichere)
»Wenn ich mich füge, dann sind die anderen nett zu mir.« (= vor allem die Unsichere und die Pflichtbewusste)
»Wenn ich mache, was der andere will, lässt er mich in Ruhe.« (= vor allem die Unsichere)
»Was der andere will, ist wichtiger als das, was ich will.« (= vor allem die Mitleidende und die Pflichtbewusste)
»Dabeisein ist alles, egal was es mich kostet.« (= vor allem die Entflammbare)
»Mache ich, was ich selber will, werde ich bestraft.« (= vor allem die Unsichere und die Pflichtbewusste)
»Bloß keinen Fehler machen, sonst lachen mich die anderen aus.« (= vor allem die Unsichere)
»Nur wenn ich für andere da bin, bin ich etwas wert.« (= vor allem die Mitleidende)
»Nur wenn ich tue, was andere gut finden, gehöre ich dazu.« (= vor allem die Entflammbare und die Unsichere)
Hemmende Muster
Natürlich haben wir beim Erwachsenwerden viele unserer kindlichen Denk- und Verhaltensweisen abgelegt und längst gelernt, eigene Vorstellungen zu entwickeln. Tatsächlich aber wirken viele unserer alten kindlichen Denkmuster und Reaktionen unbewusst in uns fort.
Als Erwachsene überprüfen wir den Wahrheitsgehalt unserer erlernten Überzeugungen meist nicht mehr. Wir sind uns ihres Einflusses oft kaum mehr bewusst – schließlich ist das alles schon so lange her! Und dennoch übertragen wir die alten Muster auf die Menschen, mit denen wir heute im Alltag zu tun haben. Nehmen wir an, Sie hätten seit jeher das Gefühl, dass es schlimme Konsequenzen haben könnte, Nein zu sagen. Dann plagen Sie sich sicherlich mit Gedanken herum wie: Wenn ich Nein sage, dann
wird mich der andere ablehnen – dabei ist mir sein Wohlwollen aber sehr wichtig,
wird der andere verärgert oder aggressiv reagieren – und ich kann mich nicht wehren,
bin ich schuld, dass der andere enttäuscht, beleidigt oder verletzt ist – das wäre schlimm für mich,
verliere ich meinen Job, meinen Partner, meine Freundin usw.,
stehe ich als Egoist da – und das halte ich nicht aus,
passiert etwas Schlimmes.
Die Macht der Gefühle
Als Erwachsenen ist uns einerseits natürlich bewusst, dass unser physisches Überleben nicht mehr vom Wohlwollen anderer abhängt – andererseits aber erleben wir Ablehnung gefühlsmäßig noch oft so, wie das kleine Kind, das seinen Eltern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Wir projizieren unsere Erfahrungen von damals auf unsere heutige Situation. Die Gefühle sprechen hier eine andere Sprache als der Verstand. Und wenn diese beiden miteinander im Clinch liegen, siegt meist das Gefühl. Wir können noch so oft versuchen, uns selbst davon zu überzeugen, dass wir doch einfach »Nein« sagen könnten – wenn die Vorstellung, dieses »Nein« auszusprechen, starke Ängste auslöst, gehorchen wir dem Diktat der Gefühle und sagen »Ja«.
Schuldgefühle und Co.
Meist ist die Angst vor Ablehnung von Gefühlen begleitet, die wir ebenfalls sehr gut aus der Kindheit kennen: Schuldgefühle, schlechtes Gewissen, Scham, Hilflosigkeit. Um nicht mit ihnen konfrontiert zu werden, sind wir bereit, sehr viel zu tun. Vielfach haben wir die »Gefahrenabwehr« so verinnerlicht, dass wir uns zum Beispiel ganz automatisch verpflichtet fühlen, das zu machen, was andere von uns erwarten und meist erst hinterher merken, dass ein Nein besser für uns gewesen
Weitere Kostenlose Bücher