Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Zuhälter. Teilzeitprostituierte sind gegenüber Vollzeitprofis durch eine zusätzliche bürgerliche Berufsidentität sozial oft im Vorteil.
Prostituierte in Bayern verdienen im Durchschnitt besser als ihre Kolleginnen in Berlin, sind dafür aber stärkeren Kontrollen durch Gesundheitsämter und Polizei ausgesetzt.
Auch die geordnete Welt des Hamburger Rotlichtmilieus ist, weder real noch medial aufbereitet, für ganz Deutschland repräsentativ.
Während »Der Kaiser von St. Pauli« im deutschen Fernsehen lief und eine überschaubare, beinahe folkloristische Kiez-Welt mit klaren Regeln und hartem, aber herzlichem Umgangston modellhaft inszenierte, hatten transkontinantale Migrationsströme, der Kollaps der kommunistischen Systeme Osteuropas und die Vertreterinnen einer emanzipierten Sexarbeit die Enden des deutschen Marktspektrums bereits ein wenig vielfältiger definiert. Globalisiert, differenziert, polarisiert: So präsentiert sich die Branche des käuflichen Sex seit den achtziger Jahren, und auch heute noch leben wir faktisch in einem Land mit einer Zweiklassenprostitution: Die Sollbruchstelle verläuft zwischen Sexarbeiterinnen mit deutschem Paß, Gelegenheitsprostituierten und Frauen, die autonom oder zu fairen Bedingungen arbeiten, und ausländischen Prostituierten ohne Aufenthaltsrecht, Drogenkonsumentinnen und Frauen mit Zuhältern.
Daran ändert auch das neue Gesetz nichts.
Wie könnte es auch? Insbesondere die von Profiteuren kontrollierte osteuropäische Armutsprostitution hat es verstanden, sich den arbeitsteiligen und globalisierten Strukturen der Wirtschaft mehr oder weniger perfekt anzupassen. Dieses Business ist per Definition international angelegt und die Gewinnspannen so lukrativ, daß es sich für die Akteure lohnt, kalkulierte Risiken einzugehen. Immerhin ist es weniger gefährlich, mit vier jungen Frauen die Grenze zu passieren als mit einem Dutzend Kalaschnikoffs oder einem Kilo Koks. Nach EUSchätzungen werden jährlich rund 120000 Frauen in die Rotlichtmilieus der Mitgliedsländer geschleust, das US-Außenminis-terium schätzt die Zahl der Opfer weltweit auf mindestens 700000, inklusive Dunkelziffer auf zwei Millionen.8
Schlepper und Schleuser organisieren die Anreise der Frauen aus den jeweiligen Heimatländern. Inhaber und Betreiber von Großbordellen kassieren einen Großteil der Prostitutionshonorare über die Zimmermiete ab. Zuhälter bereichern sich am Rest. Ohne EU-Zugehörigkeit laufen Sexmigrantinnen Gefahr, sich mit dem Eintritt in die hiesige Prostitution mitunter (aber längst nicht immer) in ein System der Schuldknechtschaft zu begeben. Obwohl sich ihre Situation materiell dennoch oft verbessert, ist die Sexarbeit -
zumindest nach unseren Maßstäben eines guten Lebens - für sie ein Verlustgeschäft.
Der osteuropäische Frauenhandel mit Zielort Deutschland wird überwiegend von deutschen, türkischen und slawischen Tätern organisiert. Rund die Hälfte von ihnen arbeitet nach Erkenntnissen des BKA in stabilen, organisierten Strukturen. »Organisiert« steht in diesem Zusammenhang nicht zwangsläufig für hierarchische Befehlsketten nach Mafia -Manier, sondern für ein arbeitsteiliges, international vernetztes Vorgehen durch eingespielte Akteure. Die logistische Kette der Täter und ihrer Helfershelfer beginnt in den Heimatländern der Opfer, wo sie nach außen hin ausgerechnet als Import/Export-oder Reiseunternehmer in Erscheinung treten. In Annoncen oder durch direkte Ansprache werben sie die Frauen an.
Schleuser, Kuriere und Fälscher von Pässen bzw. Heiratsdokumenten organisieren ihre Einreise. Kontaktpersonen in Deutschland verteilen die Slawinnen auf unterschiedliche Bordelle. Es kommt vor, daß einige ihrer neuen »Arbeitgeber« ihnen die Pässe abnehmen, sie in Wohnungen einsperren, ihnen und ihrer Familie mit Gewalt und Racheakten drohen, falls sie in irgendeiner Form aus der Reihe tanzen.
Von getrennten Wohn-und Arbeitssphären, Kontakten zur Bevölkerung geschweige denn Integration können viele nur träumen.
Die Profiteure nutzen ihre Hilflosigkeit im fremden Land, ihren Mangel an Deutschkenntnissen und den ungesicherten Aufenthaltsstatus oft gezielt aus und erpressen ihren Gehorsam mit der Behauptung, gute Kontakte zur Polizei zu haben. Die Frauen haben keinen Grund, das anzuzweifeln, denn Korruption und Machtmißbrauch gehören in vielen Herkunftsländern zum Behörden-alltag. Hoch verschuldet durch die Kosten der Migration und als Best-oder
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