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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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niemand so genau, wie viele der in Deutschland aktiven Sexarbeiterinnen welcher Nationalität sind, wie viele regelmäßig oder nur zeitweise Sex gegen Geld tauschen. Aber was genau beinhaltet dieser Tausch eigentlich?
    Werfen wir einen Blick in den Brockhaus. Das Lexikon definiert Prostitution als eine »Form des Sexualverkehrs, bei der eine Person gegen Geld oder materielle Vorteile ihren Körper oder bestimmte Praktiken anderen Personen zu deren sexueller Befriedigung anbietet.
    Die Beziehung zwischen den Kunden (›Freier‹) und den Prostituierten ist meist unverbindlich und ohne gefühlsmäßige Bindung«.13 Wie die meisten Definitionen laboriert auch diese mit einem Faktorenmix aus sexuellem Verkehr, Vergütung, Promiskuität und emotionaler Unverbindlichkeit. Doch wie konsensfähig ist diese Begriffsbestimmung? Ist eine Telefonsex-Honorarkraft, die keinen Verkehr praktiziert, sondern ihre Phantasie, Intuition und Stimme für die Dienstleistung einsetzt, bereits eine Prostituierte? Eine Domina, die weder Vaginal-, Oral-noch Analverkehr gewerblich praktiziert? In den USA unterstützen Surrogatpartnerinnen mit ihrem Körpereinsatz Sextherapie -Klienten bei der Bewältigung sexueller Funktionsstörungen. Wertet der therapeutische Nutzwert die einen zu einer Art medizinisch-sexueller Assistentin auf, während die anderen in den profanen Niederungen unqualifizierter Sexarbeit vor sich hin dümpeln? Wenn der Kunde sich für sein Geld aussprechen möchte, ist sein Gegenüber dann eine Prostituierte oder eine Art Gesprächstherapeutin? Was ist mit Pornodarstellerinnen, Playmates und Fotomodellen, die das Abbild ihres Körpers mit dem Wissen vermarkten, daß sich die Mehrheit der Betrachter bei ihrem Anblick selbst befriedigen wird? Mit Marketing-Strategen, die (halb)nackte Frauen in der Werbung einsetzen, um die Libido ihrer Zie lgruppe zu kitzeln?
    Ist eine Geliebte, die Geschenke oder Geld erhält, eine Prostituierte?
    Camilla Parker-Bowles, von Prinz Charles im Laufe ihrer langjährigen Beziehung reichlichst beschenkt, wäre über diesen Vergleich wohl wenig amüsiert. Christine Devie rs-Joncours, Ex-Mätresse von Frankreichs Ex-Außenminister Roland Dumas, nannte sich in ihrer Autobiographie »die Hure der Republik«, und das, obwohl sie es war, die Roland Dumas im Auftrag des Elf-Konzerns mit Luxusschuhen und Antiquitäten beschenkte! Ist eine Frau, die ein einziges Mal Sex gegen Geld getauscht hat, bereits eine Hure? Wie oft muß das Tauschgeschäft vollzogen sein, bevor sie die Bezeichnung »verdient«?
    Manchmal behaupten Menschen, sie prostituierten sich, wenn sie das Gefühl haben, ihre Arbeitskraft zu unwürdigen Bedingungen zu vermarkten. Was würde eine Luxusprostituierte entgegnen, die mit ihren erotischen und sozialen Kompetenzen die oberen Preisgrenzen des Gewerbes definiert? Wie ist das Verhalten halbverhungerter deutscher Nachkriegsfrauen zu bewerten, die sich mit alliierten Soldaten amüsierten und für ihre sexuellen Gefälligkeiten Nylons, Kaugummi und Zigaretten akzeptierten? Wie beurteilen wir Frauen, deren Lebensstandard durch eine Beziehung oder Ehe deutlich sichtbar steigt? Promisk lebende Frauen, in deren Beziehungen zu Männern weder Geld noch Sachwerte die Besitzer wechseln?
    Gelegenheitshuren mit ein, zwei treuen Stammkunden? Sind Beziehungen zwischen Huren und Stammkunden ohne gefühlsmäßige Bindung überhaupt denkbar? Und wie steht es um die Libido der Prostituierten? Was macht sie mehr zur Hure: die Anwesenheit oder die Abwesenheit eigener Lust? Früher galten Sexarbeiterinnen als professionell, wenn es ihnen gelang, die eigenen sexuellen Reaktionen während der Arbeit abzublocken. Bis in die sechziger Jahre hinein galt es aber auch als unproblematisch und insofern normal, wenn
    »ehrenwerte« Frauen den Geschlechtsakt passiv und lustlos ertrugen.
    Niemand kam auf die Idee, sie als Prostituierte zu bezeichnen, wenn sie sich emotional unbeteiligt zeigten. Im Gegenteil: Das Hurenstigma traf und trifft bevorzugt Frauen, die erotische Signale aussenden, die für eine starke Libido sprechen.
    Halten wir fest: Die Prostitution gehört zu den Formen menschlicher Sexualität, die immer wieder hitzig diskutiert werden, obwohl über den Gegenstand der Debatte ebensowenig Einigkeit besteht wie über das, was Frauen zu Prostituierten macht. Ebenso unklar ist, wo die Definition aufhört und das Stigma beginnt. Frauen in Kriegsregionen, Musliminnen ohne Kopftuch, junge Mädchen und Frauen, die

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