Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Prostituierte Julia, die in ihrem eigenen Haus arbeitet, nie Gewalt erlebt. Spezielle Sicherheitsvorkehrungen trifft sie nicht, mögliche Risiken schließt sie schon bei der Kontaktanbahnung aus.
Der private Kontakt ist sehr gefragt: Julia
Ich habe die Arbeit zu Hause bewußt gewählt, weil ich keine Lust hatte, 8-10 Stunden pro Tag in einem Zimmer im Laufhaus zu sitzen. Bei mir gibt es keine Sicherheitsvorkehrungen, aber es läuft auch nicht so ab, daß einer anruft und ich sage: »Kommen sie in die Straße x und klingeln Sie bei Meyer oder Lehmann«, und dann steht plötzlich ein wildfremder Mann auf der Matte. Um mit mir in Kontakt zu treten, müssen gewisse Hürden überwunden werden. Ich inseriere grundsätzlich mit Chiffre-Nummer. Das heißt, der Kunde schreibt mir einen Brief, der seine Telefon-oder Handynummer, manchmal auch die Postanschrift enthält. Dem Schriftbild, der Formulierung und der Telefonstimme kann ich entnehmen, auf welchem Niveau er sich bewegt, ob ich meine, mit ihm zurechtzukommen, und ob er Wünsche hat, die ich erfüllen möchte. Die Freier wissen, sie sind nicht anonym. Jeder halbwegs clevere Polizeibeamte könnte anhand der Unterlagen nachvollziehen, wer den Brief geschrieben hat. Diese Form der Anbahnung minimiert zwar das Sicherheitsrisiko, ist aber auch aufwendig für mich, denn auf den Brief folgt ein unverbindliches Vorgespräch bei mir zu Hause, von dem ich ja vorab nicht weiß, ob es zu einer Dienstleistung kommt oder nicht.
Allerdings habe ich in all den Jahren auch noch nie einen Übergriff erlebt. Meine unangenehmste Erfahrung war ein Gast, der Schweißausbrüche und zittrige Hände bekam und fluchtartig meine Wohnung verließ, weil er sich überschätzt hatte.
Meine Arbeit unterscheidet sich nicht grundsätzlich von anderen freiberuflichen Tätigkeiten. Der Vorteil ist wie in jedem freien Beruf, den man zu Hause ausüben kann, daß keine Wege anfallen. Die Zeit, in der kein Kunde da ist, kann man für sich selbst nutzen, das heißt, wenn man mental dazu in der Lage ist. Das ist halt ein Problem, das jeder Freiberufler mit Büro in der Wohnung kennt: Lassen sich Beruf und Privatleben trennen, oder vermischt sich das irgendwann? Mit einem normalen Familienleben läßt sich die Arbeit auf jeden Fall nicht gut kombinieren. Man muß sich auf die Zeiten der Kunden einstellen. Einer kommt vielleicht um 9, der andere um 23 Uhr. Allerdings hat die Arbeit zu Hause auch eine Art Standortvorteil. Der private Kontakt, das Verschwimmen der Grenze zwischen Geliebter und
Prostituierter, ist sehr gefragt. Es kostet die Männer viel mehr, zu mir nach Hause zu kommen, als wenn sie ins Bordell gehen. Viele sind sich der Illusion eines privaten Kontakts zwar bewußt, aber es fällt ihnen leichter, sie zu akzeptieren, wenn sie wissen, ich suche mir meine Kontakte auch nach Sympathie.
Modell Arbeitgeberin
Viele Studio-und Bordellbetreiberinnen verhalten sich nicht unbedingt ausbeuterischer als andere Arbeitgeber auch, liefen aber bis vor kurzem Gefahr, wegen Zuhälterei oder Förderung der Prostitution kriminalis iert zu werden, vor allem wenn sie den Frauen angenehme Arbeitsbedingungen ermöglichten. Anders als Prostituierte standen Bordellbetreiber permanent mit einem Fuß im Knast - unabhängig von Führungsstil, Geschäftspraxis und Arbeitsbedingungen. Das Versteck-spiel begann bei der offiziellen Benennung des Gewerbes, wenn aus einem Bordell wahlweise eine Modellagentur, Partnervermittlung, Pärchenclub, Zimmervermietung, Sexshop, Gaststätte oder ein Übersetzungsbüro wurde. Das Gesetz und seine Auslegungsspiel-räume zwangen Betreiber zu Lügen, Halbwahrheiten und anderen kreativen Strategien zur Existenzsicherung und untermauerten damit das bürgerliche Klischee vom zwielichtigen, halbseidenen Milieu. In ihrer Duldungspraxis folgten die Behörden der Maxime: Je verdeckter, desto legaler.
Inzwischen ist es nicht mehr strafbar, Sexarbeiterinnen zu vermitteln oder ihnen angenehme Arbeitsbedingungen zu schaffen. Doch in der Praxis ergeben sich juristische Widersprüche. So dürfen Bordellbetreiber weder Ort, Zeit noch Art der Dienstleistung oder Ausmaß der Arbeit festlegen. Doch was ist ein Arbeitgeber ohne
"Weisungsrecht? »Es werden nur ganz wenige reguläre Beschäftigungsverhältnisse zustande kommen«, so kommentiert Juanita Henning vom Projekt Dona Carmen in Frankfurt/Main die Gesetzesänderung und prophezeit: »Die Gerichte werden beschäftigt.«19 Experten und
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