Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
das Lustprinzip ein Schattendasein führt, braucht die Prostitution. Nach wie vor ist sie die Hüterin einer reinen Sexualität, unbelastet von Beziehungsansprüchen und Lifestyle -
Diktaten - das ist sozusagen ihre gesellschaftliche Kernkompetenz.
Paartherapeuten und Prostitutionsforscher sind seit langem davon überzeugt, daß Männer mit ihren kle inen Fluchten in die Welt des Rotlichts ihre privaten Bindungen nicht in Frage stellen, sondern stabilisieren.109 Der Marktforscher Thomas Jendrosch geht sogar noch einen Schritt weiter. Der »Warencharakter« in Beziehungen, der Kapitalismuskntiker und Feministinnen jahrzehntelang erzürnte, erweist sich für ihn als prinzipiell beziehungsförderlich. Auf die hohe Kundenzufriedenheit in der Sexarbeit anspielend, rät der Professor für Marktforschung und Unternehmensführung: »Auch Menschen, die in festen Beziehungen leben, könnten vor diesem Erkenntnishintergrund gut beraten sein, regelmäßig Konkurrenzbeobachtungen anzustellen.
Systematische Bedürfnisanalysen innerhalb der eigenen Beziehung können so Ansätze zur Verbesserung der sexuellen Zufriedenheit und Partnerbindung aufdecken.«110
In gewisser Weise ist das Unbehagen, das die Prostitution im bürgerlichen Lager auslöst, aber auch berechtigt. Schließlich entlarvt sie einen Haufen Widersprüche im System. Sie enttarnt unsere die Fahne der Familienwerte schwingende Gesellschaft als eine Horde Polygamisten. Sie stellt ein Beziehungsideal bloß, das die Sexualität für sich reklamiert und sie mit diesen Exklusivansprüchen überfordert und erstickt. Sie zeigt das wahre Ausmaß männlicher Autonomie -
bestrebungen, ritualisierter Rebellionen gegen das Leiden an der Abhängigkeit von der Partnerin und/oder ihrer Abhängigkeit von ihm.
In einer Welt beruflicher und privater Zwänge vermitteln Prostitutionskontakte wie andere Spielarten von Gelegenheitssex dem Kunden die Gewißheit, daß er sich frei und autonom fühlt, und dienen so seiner psychischen Stabilisierung. Weil es also nicht um Abspaltung, sondern um eine wiederhergestellte Ganzheit geht, hat ein gelungener Prostitutionskontakt aber auch das Potential, Beziehungen in Frage zu stellen. Mit einer erotischen und emotionalen Intensität konfrontiert, hat schon manch ein Freier erkannt, daß er sich privat in ein Wertesystem verstrickt hat, das nicht mehr sein eigenes ist, und sich für sexuelle Selbstermächtigung anstelle von Beziehungsmachtkämpfen entschieden. »Wenn Männer zu Prostituierten gehen«, so die Feministin Camilla Paglia, »spielt sich ein gewaltiges Psychodrama ab. Ein Mann, der eine Transaktion mit einer Prostituierten eingeht, versucht ein Problem zu lösen, das er mit weiblicher Dominanz hat.
Das Geld bietet ihm die Möglichkeit, seine Gefühle vom Sex zu trennen. Es beinhaltet ein Element der Zurückweisung weiblicher Dominanz. Das findet meinen Applaus, denn es ist ein Weg, seine Männlichkeit zu befreien.«111
Wenn wir sie realistisch und nicht durch die verzerrende Brille konventioneller Moral sehen, führt uns die Prostitution nichts weniger vor Augen als die Kluft zwischen unseren Idealen und der gelebten Realität. Freundlich und unaufdringlich räumt sie die vielen kleinen und größeren Identitätsverluste aus dem Weg, die unsere Gesellschaft so produziert. Ihr gesellschaftlicher Nutzen - multifunktional, diskret, systemstabilisierend - ist eine ihrer Überlebens garantien, die Nachfrage nach ihr eine andere. Dort, also beim Endkonsumenten, setzt auch der prostitutive Cashflow ein. Welche Wege bahnt er sich nach seiner Reise aus der Brieftasche des Kunden in die Hand der Dienstleisterin? Wer profitiert von den Geldströmen, die sexuelle Tauschgeschäfte generieren? Welche Schnittstellen gibt es zwischen den so separat erscheinenden Welten der Wirtschaft und der Prostitution? Was verkauft eine Prostituierte eigentlich? Welche Erfolgsstrategien haben sich in der Sexarbeit bewährt, und bahnt sich in der Sexindustrie ein neofeministischer Machtwechsel an?
IV GEWINN UND VERLUST
Ich habe 4 Kinder im Alter von 2 bis 14 Jahren und habe am Wochenende in einer Großküche geschuftet, bis ich nervlich fast am Ende war. Ich bin gewiß keine Schönheit, verdiene aber heute am Wochenende das Dreifache, bin dabei allgemein entspannter und habe wieder Energie für Haushalt, Mann und Kids -
und dazu noch guten Sex und neue Kontakte zu Frauen.
Eine Frau aus einem Studio in Stuttgart
1 MÄNNER ALS
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