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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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PROFITEURE
     
    Sparbuch mit Folgen: Nadja
     
    Mein erstes eigenes Geld verdiente ich mit 13 Jahren.
    Zusammen mit einer Freundin war ich aus dem
    Erziehungsheim ausgerissen und bis kurz vor Hamburg getrampt. In einem bürgerlichen Vorort stellten wir uns an die Straße. Unser erster Freier war freundlich und überaus großzügig. Während meine Freundin sich auszog, überreichte er mir 500 Mark. Wie auf einem Beobachtungsposten stand ich daneben, als die beiden loslegten, und als sie fertig waren, legte er noch mal 100 Mark drauf, damit ich seinen Penis in den Mund nehme. Von unserem Verdienst kauften wir Jeans, Mickymaus-Hefte und Süßigkeiten. Nach diesem Anfangserfolg verdienten wir als unabhängiges Mädchen-Team eine Zeitlang unser Geld auf der Straße, bis meine Freundin verkündete: »Wir können hier nicht einfach so rumstehen. Wir brauchen jemanden, der auf uns aufpaßt.«
    Sie bestand darauf, zu einem Bekannten nach Hamburg zu trampen. Daß er Kontakte zum Rotlichtmilieu hatte, verschwieg sie mir.
    Durch diesen Bekannten lernte ich meinen ersten »Freund«
    kennen. Er war groß, blond, sportlich, nett und charmant und verhielt sich anfangs überhaupt nicht wie das, was man sich unter einem Zuhälter vorstellt. Erst nachdem ich mich in ihn verliebt hatte, zog er die klassische Nummer ab: Er behauptete, er habe gerade seinen Job verloren, und bekniete nun mich, für ihn arbeiten zu gehen, im Klartext: auf den Strich zu gehen. Ich war zu jung und verliebt, um sein Spiel zu durchschauen.
    Da ich noch minderjährig war, arbeitete ich anfangs nur stundenweise in der Tiefgarage eines Laufhauses.
    Komischerweise fühlte ich mich gut dabei. Ich nehme an, es hatte etwas mit Macht zu tun. Ich konnte meinen Zeigefinger auf einen Mann richten und meinem Freund zurufen: »Der hat mich blöd angelabert!« Was vielleicht gar nicht stimmte, aber der Mann war auf jeden Fall in Schwierigkeiten. Ich konnte machen, was ich wollte, und bekam immer recht. Am Anfang gab er mir auch nie das Gefühl, daß er die ganze Kohle einsackt. Er kleidete mich ein, ich lebte in seiner Wohnung, bin mit dem teuren Auto umherchauffiert worden, täglich im Restaurant essen gegangen und wurde mit einer goldenen Kette ausstaffiert. Die hatte ich mir natürlich selbst verdient, aber durch die rosarote Bille der Verliebtheit wirkte sie auf mich wie ein Geschenk.
    So verbrachte ich meine Jugend auf der Reeperbahn, als Hauptfrau eines Zuhälters. Eines Tages - inzwischen war ich 18 - brachte mich ein Stammgast, der mir immer reichlich Trinkgeld gab, auf eine Idee: »Mädel«, meinte er, »du kannst mir doch nichts vormachen. Ich weiß, daß du einen Zuhälter hast, auch wenn du ihn immer als deinen Freund
    bezeichnest. Ich gebe dir das Geld aber für dich und nicht für ihn. Also warum versuchst du nicht, deine Trinkgelder zu sammeln und auf ein Konto zu bringen?« Bis dahin war es mir ganz normal vorgekommen, daß ich alle Einnahmen bei meinem »Freund« ablieferte und er davon sämtliche Unkosten bestritt. Ich hatte nie darüber nachgedacht, daß für mich gar nichts übrigblieb. Mein Gefühl sagte mir auch, daß er mir von sich aus nie Geld geben würde, selbst wenn ich ihn darum bitten würde. Obwohl ich mich dafür schämte, meinen Freund zu hintergehen, ging mir der Gedanke, ein eigenes Konto zu eröffnen, nicht mehr aus dem Sinn. In meiner Not rief ich meine Schwester an. »Ich weiß gar nicht, wie ich das mit dem Konto einfädeln soll«, schilderte ich ihr mein Dilemma. »Er darf es nicht mitkriegen, und alleine läßt er mich nirgendwohin.« Meine Schwester hatte eine Idee. Sie kontaktierte eine Freundin in Bremen, die mich in den nächsten Tagen besuchte und sich als Bremer Prostituierte ausgab. Als ich meinen Freund fragte, ob ich mit ihr ins Cafe gehen könne, ließ er uns anstandslos gehen. Statt ins Cafe schlichen wir heimlich wie zwei Schwerverbrecher zur Bank und eröffneten ein Sparkonto für mich. Unauffällig begann ich, meine Trinkgelder zu sammeln und wann immer möglich auf mein Konto einzuzahlen. Das Sparbuch versteckte ich, wasserdicht in einer Plastikhülle verpackt, im Spülkasten der Toilette.
    Ungefähr ein Dreivierteljahr später kam eine meiner Straßenkolleginnen mit einer Sonnenbrille zur Arbeit.
    Dahinter verbarg sich ein blaues Auge - ein kleines Andenken an einen Tobsuchtsanfall ihres Zuhälters. Sie tat mir wahnsinnig leid, und in einer Aufwallung von Hilfsbereitschaft schlug ich vor: »Mach doch ein Sparbuch auf,

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