Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
ich hab auch eins.« Arglos schloß ich am späten Abend die Wohnungstür auf, als mein »Freund« mich voller Zorn packte und gegen die Wand stieß. Mir war augenblicklich klar, was hier lief, und richtig: Er verlangte mein Sparbuch. Reflexartig und impulsiv stritt ich ab, eins zu besitzen. Wild entschlossen, mein Sparbuch zu verteidigen, auf dem sich vielleicht 600 Mark angesammelt hatten, behauptete ich, ich hätte das der Kollegin gegenüber nur so dahingesagt. Doch man glaubte mir nicht. Mein »Freund« ging ins Zimmer, öffnete das Fenster, packte mich, schob meinen Oberkörper übers Fensterbrett und fragte: »Wo ist dein Sparbuch?« - »Ich habe kein Sparbuch«, entgegnete ich trotzig. Da hob er meine Beine an und drohte, mich aus dem Fenster zu werfen.
»Wo ist das Sparbuch?« wiederholte er. In dem Moment schwand mein Mut. Halb aus dem Fenster hängend, gab ich auf und schrie: »Es stimmt, ich habe ein Sparbuch.«
Daraufhin ließ er mich los. Ich flog aus dem dritten Stock unseres Wohnhauses mitten durch einen Baum hindurch und landete neben einem Gully auf dem Straßenpflaster.
Im Krankenhaus wachte ich auf. Man sagte, daß ich mir einen Arm, ein Schulterblatt und die Nase gebrochen hatte.
Als nächstes besuchte mich die Polizei. Die Beamten bearbeiteten mich, meinen »Freund« anzuzeigen. Dabei war ihnen schon klar, daß man im Rotlichtmilieu nicht einfach jemanden anzeigen kann. Wenn ich bereits wegen 600 Mark aus dem Fenster geflogen war, worauf mußte ich mich dann bei einer Anzeige einstellen? Aus Sicherheitsgründen postierten die Beamten einen Wachmann vor meinem Krankenhauszimmer, nahmen mich in ein Zeugenschutzprogramm auf, besorgten mir eine neue Identität und eine Wohnung in Bitburg. Dorthin brachten sie auch meine Sachen. Sogar mein Sparbuch hatten sie aus dem Spülkasten befreit.
Zur Gerichtsverhandlung fuhr ich zurück nach Hamburg.
Für das, was mein »Freund« mir angetan hatte, bekam er vier Jahre ohne Bewährung. Nach der Urteilsverkündung rief er mir im Gerichtssaal zu: »Wenn ich dich kriege, werde ich dich an die Tür nageln.« Mit dieser Morddrohung im Nacken kehrte ich zurück nach Bitburg und lebte eine Weile mehr schlecht als recht von der Sozialhilfe. Als freiheitsliebender Mensch sah ich nicht ein, mich ein Leben lang vor diesem Idioten verstecken zu müssen und mich vom Staat durchfüttern zu lassen. Bloß wie sollte ich unbehelligt weiter anschaffen gehen? Mein Foto kursierte in allen Städten, sämtliche Rotlichtfürsten waren über mich und die Geschehnisse im Bilde. Nach einem Dreivierteljahr schrieb ich meinem nunmehr Ex-»Freund« einen Brief, und kurze Zeit später besuchte ich ihn im Knast. Mit meiner Geste des guten Willens biß ich zunächst auf Granit. Er spielte sich auf, brüllte herum und beschimpfte mich, so daß ich froh war, daß Beamte in der Nähe waren. Doch anstatt aufzugeben, schickte ich ihm Zigaretten und besuchte ihn regelmäßig, bis wir es allmählich schafften, sachlich miteinander zu reden.
Meine Geduld zahlte sich aus. Ich bat ihn immer wieder, sich in meine Situation hineinzuversetzen, und irgendwann räumte er ein: »Gut, auch ich habe Fehler gemacht. Ich gebe dir grünes Licht für ganz Deutschland.« Das haben wir bei einem Anwalt schriftlich fixiert, und er hat sich auch daran gehalten.
Nun bedeutete »grünes Licht« zwar, daß ich wieder arbeiten konnte, aber nach dieser Geschichte mußten die Zuhälter ja befürchten, daß ich ihnen mehr Ärger als Geld einhandle. Und wenn ich ehrlich war, legte auch ich großen Wert darauf, mich nicht in neue Abhängigkeiten zu verstricken. Eine Zeitlang mied ich bewußt das Rotlichtmilieu und beschränkte meine Aktivitäten auf Hotelbesuche. Ende der achtziger Jahre ging ich nach Berlin und arbeitete wieder auf der Straße, unabhängig - so wie am Anfang. Die letzten acht Jahre arbeitete ich in einem Bordell, dessen Bedingungen mir voll und ganz zusagten: Ich konnte mir die Arbeitszeiten und die Kunden aussuchen, die Räume waren sauber, und alle Kolleginnen arbeiteten ausnahmslos mit Kondom. 30% meiner Einnahmen gingen an die Chefin, und das Geld für Extraleistungen wie Fingerspiele oder Natursekt konnte ich zu 100% behalten.
Wenn ich auf meine sechsundzwanzigjährige Berufser-fahrung zurückblicke, dann würde ich sagen, die ersten zehn Jahre bin ich mit Widerwillen der Sexarbeit nachgegangen.
Aber seit ich mein eigenes Geld in der Hand halte und bestimmen kann, mit wem ich ins Bett gehe,
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