Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
anderen auch.
Vor ein paar Jahren habe ich noch gedacht: Mit 60 hörst du auf. Aber das wird nicht passieren. Warum soll ich mich zurückziehen? Gerade erst habe ich mir eine neue große Profikamera zugelegt, mit der ich meine Filme in Zukunft alleine drehen werde. Diese Investitionen wären doch unsinnig, wenn ich vorhätte, in drei Jahren aufzuhören.
Durch die Hauswartstätigkeit habe ich Rentenansprüche erworben, und danach habe ich bis zur gesetzlichen Mindestfrist von 15 Jahren freiwillig in die Rentenkasse eingezahlt. Gut, ich bekomme zwar später keine hohe Rente, aber für ein paar Unkosten wird es schon reichen. Ansonsten sehe ich dem Alter gelassen entgegen, denn ich habe vorgesorgt, mit Lebensversicherungen und einer Eigentumswohnung. Von meinem Mann lebe ic h inzwischen getrennt.
Ich bin so viel unterwegs, daß ich kaum Zeit habe für einen Mann, und vielleicht sollte man in dem Job ohnehin besser allein bleiben. Früher habe ich ihn einmal dafür verteufelt, daß er mich zur Sexarbeit überredet hat. Aber jetzt sage ich mir: Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin.
Klischee Nr. 51:
Mit der Sexarbeit kann frau (nicht) reich werden.
Auf die Frage, ob die Sexarbeit lukrativer ist als andere Berufe, gibt es zwei Antworten: ja und nein. Einerseits hat es sich eingebürgert, die Einkünfte von Prostituierten am unteren Spektrum anderer Dienstleistungsberufe zu verorten bzw. ein wenig herunterzu-moralisieren. Schließlich möchte sich keiner der Akteure, die am gesellschaftlichen Diskurs über Prostitution teilnehmen, vorwerfen lassen, Frauen mit der Aussicht auf Top-Verdienste zu einem Leben im Zwielicht zu verführen. Zu einer gewissen Untertreibung neigt auch, wer kein Interesse hat, schlafende Hunde beim Finanzamt zu wecken. Und natürlich gibt es tatsächlich viele Frauen, die in der Sexarbeit nicht mehr verdienen als eine Verkäuferin oder Friseurin.
Aber es gibt auch Spitzenverdie nerinnen mit Eigentumswohnungen, Cabriolets und fünfstelligem Monatseinkommen.
Wenn die Prostitution ein Sammelbecken von Geringst-bis Spitzenverdienerinnen ist, wie repräsentativ sind dann Aussagen über Durchschnittsverdienste? »Im Durchschnitt verfügten die Befragten über ein Nettomonatseinkommen von gut 2000 DM, wobei die Hälfte weniger als 1700 DM verdiente«, heißt es in einer Studie der Prostitutionsforscherinnen Beate Leopold und Elfriede Steffan. »›Spitzenverdienerinnen‹ mit einem Einkommen über 3000 DM kamen in nennenswertem Umfang (34%) nur in der Gruppe der aktiven Prostituierten ohne Ausstiegswunsch vor, unter den Aussteigerinnen verfügte über ein Drittel nur über maximal 1000 DM im Monat.«156
Obwohl die Wissenschaftlerinnen also selbst betonten, daß Frauen, die in der Prostitution relativ gut verdienten und dabei relativ zufrieden waren, sich keineswegs mit Ausstiegswünschen trugen, schlössen einige Journalisten aus diesen Angaben, daß der Durchschnittsverdienst aller Prostituierten 2000 DM betrage und übersahen dabei, daß sich das Sample der Studie überwiegend aus Frauen zusammensetzte, die sich u. a. wegen Einkommensrückgängen im Ausstiegsprozeß befanden oder bereits ausgestiegen waren.157
Das Einkommen der Frauen differiert eklatant:
Julia
Das Einkommen der einzelnen Frauen differiert eklatant. Die Frauen machen sehr viel mehr Umsatz, als sie nach Hause tragen. Das hängt unter anderem davon ab, welchen Arbeitsplatz sie sich suchen, ob sie eine Wohnung mieten oder ob sie sich die mit einer oder mehr Kolleginnen teilen.
Dann sieht die Rechnung natürlich ganz anders aus, als wenn sie eine Zimmermiete von 150-200 Mark pro Abend zahlen.
Ich kenne aber auch Frauen, die in Laufhäusern bei relativ hohen Mietabgaben immer noch zwischen 15 000 und 20000
Mark im Monat nach Hause tragen. Es ist immer die Frage, was die einzelne Frau aushält, wie arbeitswillig sie ist, wie sie damit umgeht, daß sie diese Leistung bringen kann. Denn wenn sie in der Wohnung sitzt, wo sie kaum Kunden hat, oder mit den Kunden nicht umgehen kann, dann macht sie auch keinen Umsatz. Es hängt auch nicht unbedingt davon ab, wo man arbeitet, sondern ob es der eigenen Mentalität entspricht.
Die Liste der Faktoren, die sich auf die individuellen Einkünfte auswirken können, ist lang. Sie reicht von der jeweiligen Abgabepolitik, Unkosten wie Werbung, Investitionen, Schweige-geldern oder Provisionen, Reise-und Wohnungskosten über die Relation von Angebot und Nachfrage, die
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