Lass es bloss nicht Liebe sein
Blick zu seiner Frau. » Das wird bestimmt stressig mit den beiden Kids dahinten.«
Lily dankte ihnen überschwänglich. Ein Teil von ihr wünschte sich, sie hätte bei ihnen bleiben und mit ihnen zurück nach Sydney fliegen können.
Wolltest du nicht nach Rom, weil du William dort vermutest?, bohrte eine kleine Stimme in ihrem Kopf. Er war ganz bestimmt noch in Italien, zumal es sein Berufsethos von ihm verlangte, dass er das Originalbuch wiederbeschaffte. Während der Fahrt, wenn Imogen sie gerade mal nicht nervte, hatte Lily sich einen kleinen Schlachtplan zurechtgelegt. Tatsache war, dass Robbie die Borghese-Gärten erwähnt hatte, um dort den Käufer zu treffen. Wenn sie Glück hatte, war William über den genauen Treffpunkt informiert und kreuzte ganz zufällig dort auf. Demnach müsste sie nur noch Robbie ausfindig machen. Auf eine erneute Begegnung mit ihrem Ex war sie zwar nicht besonders scharf, aber um William wiederzusehen, nahm sie das in Kauf.
Sie winkte Michelle und Enzo noch einmal, bevor die sich vorsichtig in den chaotischen Verkehr einfädelten, dann schaute sie sich ratlos um. Große Preisfrage: Wie und wo sollte sie nach Robbie suchen, ohne dass sie selbst auffiel? Um ein bisschen Ruhe zum Nachdenken zu haben, überquerte sie die Straße und lief den von Pinien und Eichen gesäumten Weg zum Monte Pincio hoch, durch den gleichnamigen Park. Auf halber Höhe befand sich eine öffentliche Toilette, hinter Bäumen verborgen. Oberste Touri-Regel: Geh nie an einer Toilette vorbei, ohne sie zu benutzen.
Am nächsten Morgen verließ William das Haus und lief durch die dunstig-warme Luft an den opulenten Anwesen von Parioli vorbei mit dem Ziel Borghese-Gärten. Seine Schultermuskulatur angespannt, die Hände zu Fäusten geballt. Anlässlich der Pasquetta, einem öffentlichen Feiertag, würden sich wahre Menschenmassen in dem weitläufigen Park tummeln. Etliche Römer, die an diesem Tag nicht weg konnten oder in keinem der obligatorischen Staus stehen mochten, verlegten ihr Picknick deshalb in die Borghese-Gärten.
Und Robbie und Lily würden auch dort sein.
Er lief weiter, bis zum Piazzale Napoleone I in den Pincio-Gärten. Von dort oben erspähte er zwei Männer– wenn er nicht schwer irrte, war einer von ihnen Robbie.
Er kniff die Augen zusammen. Aha, der andere war Sebastian. Was zum Teufel machte der hier? Steckten sie etwa alle unter einer Decke? Fehlte bloß, dass Suzy und ihr Marcel gleich aufkreuzten!
Anscheinend stritten die beiden miteinander. Robbie saß auf einer niedrigen Steinmauer, die Arme vor der Brust verschränkt. Sebastian stand vor ihm und gestikulierte wild mit einer Hand, deutete ärgerlich auf einen Gegenstand. William beobachtete die beiden noch eine kurze Weile. In der Aktentasche, die an Robbies Knie lehnte, war bestimmt das Buch. Der verdeckte Ermittler konnte jede Minute eintreffen. William beschloss, zügig zu handeln. Und die Sache zu einem Abschluss zu bringen. So oder so. Er steckte eine Hand in seine Sakkotasche, fühlte den Revolver.
Lily kam von der Toilette und zuckte gleich darauf erschrocken zusammen. Sie hörte es ganz deutlich: Robbie und Sebastian waren irgendwo in der Nähe und stritten miteinander. Es klang, als wären sie ein Stückchen oberhalb von ihr. Donnerwetter, ihr Plan klappte ja wie am Schnürchen.
Sie kletterte weiter den Weg hinauf, bis ihr Kopf auf einer Höhe mit der Mauer war, die die Aussichtsplattform einfasste. Und linste durch eine Ritze, wo der Mörtel aus den Steinen gebrochen war. Das war ja mal eine echte Glückssträhne– endlich.
Unversehens erstarrte sie, ihr Herzschlag setzte sekundenlang aus. Sie entdeckte William, groß und schlank und umwerfend sexy, sein Gesicht wieder fast okay. Er setzte mit ausgreifenden Schritten zu Robbie und Sebastian.
24
Er zog den Revolver aus seiner Jackentasche, wog ihn nachdenklich in der Hand.
Auf der Wiese am anderen Ende des Piazzale hatten Familien Decken ausgebreitet und Klappstühle aufgestellt, Kinder tollten im Gras, Mütter arrangierten das Pasquetta-Picknick auf den mitgebrachten Campingtischchen. Ein älteres Paar, das in der Nähe von Robbie stand, genoss die Aussicht über die Piazza del Popolo und den Tiber auf Petersdom und Vatikan. Der Regen hatte für ein wenig Abkühlung gesorgt, die Luft war klar und frisch. Es war ein perfekter Tag für einen Familienausflug.
» Robbie.«
Beide Männer blickten auf, das ältere Paar schlenderte weiter. Robbie erhob sich und trat neben
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