Lass es bloss nicht Liebe sein
angekündigten Spaziergang lief Otto aufgeregt zur Tür und kratzte mit den Pfoten an den Holzdielen. William wollte sich eben verabschieden, als er eine Bewegung auffing. Es war Suzy, die draußen vor dem Schaufenster winkte.
Lily öffnete die Ladentür, und Suzy rauschte herein. Sie trug ein knappes Satinmieder und schwarzseidene Boxershorts, extravagant mit Rosen bestickt. Sie schwenkte einen Kochtopf in ihren schlanken Händen. Der Duft von Ingwer und Frühlingszwiebeln erfüllte die Buchhandlung.
» Mmh, ist denn schon Mittag?« Lily rieb die Hände aneinander. » Was ist denn da drin?«
» Das ist Pho, so heißt die Rindfleischsuppe, die Tranh kocht.«
Lily und William standen dicht nebeneinander im Flur. Suzys Blick glitt vielmeinend die Treppe hinauf und wieder zu William.
» Äh… das ist William Isyanov«, sagte Lily und musterte ihn unschlüssig.
» Hallo, William«, murmelte Suzy. Ihre Augen weiteten sich, als sie Lilys Outfit registrierte. Suzy gehörte die Wäscheboutique nebenan, sie vertrat die Philosophie, dass Dessous das A und O im Leben einer Frau seien. Radlerhosen spielten in diesem Leben eine untergeordnete Rolle, es sei denn, man radelte bei der Tour de France mit. Sie waren jedoch absolut tabu, wenn man einen Typen anbaggern wollte.
» Pho?« Sie hielt William den Kochtopf hin.
» William hält uns bestimmt für eine verfressene Bande«, sagte Lily. » Ich… wir haben eben erst gefrühstückt, weißt du.«
» Wir?« Suzys Blick hüpfte abermals die Stufen hoch.
» Bedaure, aber ich kann nicht zum Lunch bleiben. Ich ruf Sie später an, Lily.« Er glitt durch die Tür.
Suzy stellte den Topf auf Lilys Schreibtisch,stemmte die Hände in ihre schmale, geschnürte Taille und sah ihm nach.
» Heißer Typ, was?«
» Ja, stimmt«, antwortete Lily. » Ich hol uns eben zwei Teller. Grundgütiger, der denkt womöglich noch, dass wir den ganzen Tag in Dessous rumlaufen und schlemmen.«
» Na und? Sein Problem. Was hast du denn da oben getrieben? Einen flotten Dreier mit Robert und Isyanov? Ich liebe diese russischen Namen, das klingt so nach Dostojewski.«
» Suzy, weißt du, das Leben hier ist sterbenslangweilig. Trotzdem kann ich mir einen Dreier mit Robbie und einem anderen Typen schlecht vorstellen. Eher noch dreihundert Weiber und Robbie als Hahn im Korb.«
» Hm, was du sagst, stimmt.« Suzy trottete hinter ihr die Stufen hoch. » Ich auch.«
» Außerdem hab ich keinen Schimmer, wo Robbie abgeblieben ist. Er ist heute Morgen schon ganz früh weg«, muffelte Lily über ihre Schulter hinweg.
Otto saß auf dem Boden, seine Hoffnung auf einen Spaziergang sank gegen null. Da sie ihn ebenso wenig auf einen Teller Rindfleischsuppe einladen würden, verkroch er sich in sein Körbchen und rollte sich schwer seufzend zusammen.
William überflog die Tageszeitung. Logisch, dass sie mit Schwartzman zusammen war, blöd nur, dass er darauf nicht gleich gekommen war. Er ließ die Zeitung sinken und blickte nachdenklich über den Hafen. Dass die beiden ein Paar waren, fand er für seine Nachforschungen nicht wirklich hilfreich. Letztlich gab es zwei Möglichkeiten: Entweder sie schaffte es, Robbie zu überzeugen, dass er das Buch herausrückte, oder sie hielt in allem loyal zu ihrem Partner. William tippte darauf, dass sie mit offenen Karten spielte. Sie schien ihm nicht der Typ, der unbedingt auf einen Millionendollardeal abzielte. Sie war eine hübsche, wenn auch etwas exzentrische junge Frau, die zufällig in diese Sache hineingeschlittert war. Er faltete die Zeitung zusammen, warf sie auf das Bett, schnappte sich Handy und Schlüssel und verließ sein Hotelzimmer.
3
Lily staubte Bücher ab. Sie checkte die eingegangenen E-Mails, checkte ihre Webseite, drehte sich dabei langsam auf ihrem Lederstuhl und überlegte. Wo Robbie bloß sein mochte? Er ging weder an sein Handy noch rief er ihre SMS ab.
Die Tür schwang auf, und eine Kundin betrat die Buchhandlung. Lily stoppte mitten in ihrer Drehbewegung und schnappte sich ein Buch. Obwohl sie seit Jahren in ihrem Antiquariat einkaufte, blieb die Frau distanziert kühl. Kein freundliches Hallo, bloß ein knappes Nicken, das war’s. Sie legte anscheinend keinen Wert auf eine Unterhaltung oder auf einen persönlichen Kontakt. Lily fand das völlig okay und drängte sich nicht auf. Sie zog die Helden und die Geschichten, die sie ihren Kunden empfahl, dem langweiligen Klatsch und Tratsch allemal vor, den sie tagtäglich zu hören bekam.
Die Dame
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