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Lass es bloss nicht Liebe sein

Lass es bloss nicht Liebe sein

Titel: Lass es bloss nicht Liebe sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipa Fioretti
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war völlig unscheinbar, in den Sechzigern, grauhaarig, faltig und verkniffen, mit einem Nachnamen, der an murmelnde Bäche und blühende Heidelandschaften in den Highlands erinnerte. Sie gehörte seit Langem zum Kreis ihrer Stammkunden, sie kaufte viel und meistens alte Reiseführer. Reiseführer, die eine Welt zeigten, wie sie früher einmal gewesen war. Lily war davon überzeugt, dass die Frau Reiseleiterin gewesen war. Sobald sie nämlich in dem Bereich Reiseliteratur herumstöberte, bekamen ihre Augen diesen sehnsüchtigen Glanz. Bedingt durch irgendein tragisches Ereignis, Unfall oder Liebeskummer– da war Lily sich nicht sicher–, hatte die Dame das Reisen eingestellt und lebte ihre Vergangenheit mit diesen alten Wälzern.
    Wahrscheinlich hatte sie sich in den USA in einen Reisebusfahrer verliebt, das würde auch den leicht amerikanischen Akzent erklären, den Lily bei ihr feststellte. Der Bus war in eine Schlucht gestürzt und hatte ihren geliebten Busfahrer und sämtliche Mitreisenden in den Tod gerissen. Sie verlor ihren Lebensmut, kehrte heim nach Sydney und lebte wie Miss Havisham in einer Welt alter Postkarten und Erinnerungen.
    Ein junger Mann, ebenfalls ein Stammkunde, führte ein Doppelleben– da war Lily sich sicher. Sie sah ihn bisweilen in einem langen schwarzen Mantel über die Oxford Street flanieren. Schwarze Mäntel waren in Paddington zwar keine Seltenheit, aber wenn er in ihr Geschäft kam, trug er immer bloß Weiß. War das ein Reinlichkeitsfetisch? Brauchte er den Kick jungfräulicher Reinheit, um in Bücherregalen herumstöbern zu können? Außerdem kaufte er ausschließlich Gedichtbände. Einmal wollte er Lily eins vorlesen, sein Lieblingssonett, betonte er. Bevor er jedoch loslegte, schoss Robbie aus dem Lager und stoppte den dichterischen Erguss.
    » Der Typ ist ein verdammter Wichser«, tönte Robbie unter der Haube ihres Citroën.
    » Du bist zu hart mit ihm«, erwiderte Lily, die ihm das Werkzeug reichte. » Tagsüber ist er womöglich ein erfolgreicher Geschäftsmann und in seiner Freizeit Mitglied eines Lyrik-Rezitier-Clubs, so eine Art Wochenend-Isadora-Duncan.«
    » Wirf mir mal den Lappen rüber«, knurrte Robbie ungehalten.
    » Eine zart besaitete Seele, dazu verdonnert, in der schnöden Welt des Kommerzes zu schuften, um seine sieben Brüder und Schwestern am Fressen zu halten.«
    » Ich geb ihm eins auf die Fresse, sollte er nochmal herkommen und versuchen, dir die Liebeselegien des Catull vorzulesen. Den Typen kauf ich mir.«
    Die schottisch-amerikanische Ex-Reiseleiterin verließ die Buchhandlung, ohne etwas gekauft zu haben. Lily schlenderte zu Marcel’s Patisserie, aß ein Stück Quiche und plauderte mit Annette, Marcels Frau. Nach einer Weile lief sie zurück, pflanzte sich an ihren Schreibtisch, checkte E-Mails, den Anrufbeantworter und überlegte, wann Guy und Tony wohl nach Hause kämen. Sie hatte ein Gartenbuch aus dem 18 . Jahrhundert entdeckt, das würde die beiden bestimmt brennend interessieren.
    Um fünf Uhr– es kam keine Kundschaft und sie hatte nichts von Robbie gehört– beschloss Lily, den Laden zu schließen und ein bisschen frisches Obst und Gemüse einzukaufen. Sie fuhr den Computer herunter, steckte ihr Handy in die Jacke und holte ihre Tasche. Otto hob den Kopf, blinzelte und setzte zur Tür. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie William, der sich eben an Otto vorbei in die Buchhandlung schob. Der Hund warf sich spontan auf den Boden und rollte sich auf den Rücken.
    » Hallo«, sagte sie. » Er denkt bestimmt, Sie kommen wegen ihm.«
    William kraulte Otto den Bauch und lächelte ihr zu. Wieder fielen ihr seine langen schwarzen Wimpern auf.
    » Schätze mal, Sie haben sich dieses Lächeln den ganzen Tag für mich aufgespart«, meinte sie flapsig. Und wühlte verlegen in ihrer Handtasche herum, als William sie konsterniert fixierte.
    » Ist Robbie inzwischen zurückgekehrt?«, wollte er wissen.
    » Nein, und er hat auch nicht angerufen. Ich wollte gerade los, um ein paar Sachen einzukaufen.«
    » Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mitkomme?«
    Lily musterte ihn verblüfft. Robbie hatte jedes Mal tausend Einwände parat, um sich effektvoll vor dem Einkaufen zu drücken.
    » Nein, überhaupt nicht. Es ist bloß… na ja… ätzend und so.«
    » Wer so viel reist wie ich, ist froh, wenn er mal was anderes machen kann.«
    Also schlenderten sie gemeinsam über die Hauptstraße. Lily fand es gewöhnungsbedürftig, neben einem Mann herzulaufen, der um

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