Lass es bloss nicht Liebe sein
stand draußen vor der Eingangstür zum Apartment und fummelte am Schloss herum, nur ein paar Meter von ihrem Schlafzimmer entfernt.
Sie setzte eilends aus dem Bett, tappte leicht benommen über die Bodendielen, linste durch den schmalen Vorhangspalt. Dann huschte sie weiter zu der Wohnzimmertür, öffnete sie geräuschlos, mit rasendem Herzklopfen.
» William«, flüsterte sie.
Er drehte den Kopf zu ihr, und sie legte warnend einen Finger an ihre Lippen. Er setzte sich auf und lauschte. Da war es wieder, das unheimliche Geräusch. Lily beobachtete angstbibbernd, wie er den Revolver aus seinem Sakko zog, das er lässig über die Sofalehne gehängt hatte.
» Bitte… bitte, mach bloß nicht die Tür auf«, stammelte sie.
Er ignorierte sie, schlich sich leise zur Eingangstür und hämmerte mit der Waffe unvermittelt auf das Holz. Das Geräusch verstummte abrupt, woraufhin William ins Schlafzimmer lief, die Läden einen Spalt breit öffnete und nach unten auf die Straße spähte. Lily stand im Türrahmen, die Arme vor der Brust gekreuzt, eine Hand vor den Mund gepresst.
Erleichtert seufzend legte er schließlich die Waffe auf den Nachtschrank.
» Konntest du sehen, wer es war?«
Er nickte grimmig. » Mmh, ich hatte mir schon so was gedacht. Es waren dieselben Typen, die bei dir eingebrochen haben.«
Lily schnappte erschrocken nach Luft.
» Mach dir keinen Kopf«, beschwichtigte William. » Die sind nicht wirklich scharf auf einen Konflikt. Oder dass die Sache öffentlich ausgewalzt wird.«
Er rieb sich nachdenklich das Kinn und sah scheinbar durch sie hindurch. Warum schloss er sie nicht zärtlich in seine Arme und küsste sie hingebungsvoll? Für den Augenblick eines Herzschlags sehnte Lily sich nach seiner Wärme, der Geborgenheit seines Körpers. Nach einem tröstlichen Halt, stattdessen stürzte sie im freien Fall in die Katastrophe. Sie umklammerte seine Arme, suchte in seinem Blick zu lesen.
» William, was machen wir jetzt?«
» Geh schlafen. Darüber diskutieren wir morgen.«
16
Sonnenlicht blinzelte durch die Ritzen in den Fensterläden. Es war ihr letzter Tag in Rom. Sie zog sich nackt aus, wickelte sich in ein Badetuch und schlich auf Zehenspitzen durch den Flur und das Wohnzimmer, an Williams Sofabett vorbei ins Bad.
Nach der Dusche, wieder in ihrem Zimmer, wühlte sie in ihrer Reisetasche nach einem leichten Sommerkleid. Das gute Stück hatte zwar ein wenig gelitten und war etwas zerknittert, aber das würde am Körper ruckzuck wieder glatt, dachte sie. Es war ein angesagtes Modell aus den Fünfzigerjahren, mimosengelb, rückenfrei mit engem Bleistiftrock und einem zarten Volant am Saumabschluss. Sie zwängte sich hinein, hatte Mühe, den Reißverschluss ohne Hilfe hochzuziehen. Dann glitt sie in ein paar azurblaue Plateausandalen– für das römische Kopfsteinpflaster zwar ein absolutes No-Go, aber wer schön sein will, muss leiden, sagte sie sich.
» Wo willst du denn hin?« William stand hinter dem Vorhang, ein Duschtuch um seine Hüften geschlungen.
» Ich will raus, einfach bloß mal raus.«
» Du bleibst besser hier. Glaub mir, in diesem Apartment bist du besser und sicherer aufgehoben.«
» Tsss, von wegen Urlaub in Rom– es ist der blanke Horrortrip.«
» Es wird langsam ernst, Lily. Will das nicht in deinen hübschen kleinen Kopf? Was wir in Sydney gemacht haben– mit Otto spielen, essen gehen–, das war wie Urlaub, für mich jedenfalls. Ich wünschte, ich hätte anders…«– er unterbrach sich– » …ist auch egal jetzt. Die Situation ist inzwischen eine völlig andere, und du musst dich exakt so verhalten, wie ich es dir sage.«
» Das darfst du getrost knicken.« Sie schüttelte heftig den Kopf. » Ich bleib nicht hier.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. » Sondern? Willst du shoppen gehen? Dir ist klar, dass du mit deinem Leben spielst?«
» Irrtum, ich will nicht shoppen gehen. Ich will nach Hause.« Sie schob trotzig ihr Kinn vor. » Ich such mir ein Reisebüro und buche den nächsten Flug nach Sydney.«
Er ließ sich seine Verblüffung nicht anmerken. » Nur noch ein Tag, Lily, länger brauche ich ganz bestimmt nicht.«
Sie schüttelte abermals den Kopf und sagte: » Und ich brauche…«
» Wenn dir die Decke auf den Kopf fällt«, fiel er ihr ins Wort, » dann besuch die Vatikanischen Museen; da ist es immer proppenvoll, da bist du sicher. Im Übrigen ist es nicht weit bis dorthin.«
Sie wollte weg. Musste dringend Abstand von ihm gewinnen.
Sie
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