Lass es bloss nicht Liebe sein
hin, Williams Blick war konzentriert auf die Straße geheftet.
Sie passierten die Ausfahrt Florenz, fuhren westlich an Pistoia vorbei bis Montecatini Terme, wo er die Autostrada verließ und auf einer Nebenstraße weiterfuhr.
Er spähte zu Lily hinüber. Sie lehnte mit dem Kopf am Seitenfenster, ihre Arme baumelten schlaff herunter, als wären ihre sämtlichen Energien verpufft. Er biss die Kiefer aufeinander, starrte auf die Rücklichter des Trucks vor ihm. Wenn er sie nicht gefunden hätte, wenn Brad ihm keine Anhaltspunkte hätte geben können… wäre die Sache wesentlich schlimmer ausgegangen. Es war zu viel für sie, das alles zu verkraften– ihn, die Geschichte mit Robbie, die Hitze, die Ungewissheit.
Sie war zwar stärker, als ihr bewusst war– um die Drogenabhängigkeit zu überwinden, bedurfte es einer enormen Willenskraft–, er hatte sie jedoch in eine Situation gebracht, in der sie null Unterstützung erfahren hatte; sie war entführt und wäre fast misshandelt worden, und jetzt war sie mit dem Mann konfrontiert, der ihr das alles eingebrockt hatte. Kein Wunder, dass sie zerbrechlich und ausgepowert wirkte.
Er fuhr einen weiteren Kilometer, bevor er am Straßenrand anhielt, neben einem frisch gepflügten Feld und einer hohen Wiese mit wilden Blumen und leuchtend rotem Klatschmohn.
Lily streckte sich wie eine kleine Katze und hob den Kopf. Er öffnete ihr die Wagentür und half ihr beim Aussteigen. Kaum im Freien, sackte sie auf die Knie und erbrach sich. Sie kniete in den Klatschmohnblüten, würgte und schluchzte, während William hastig die Wasserflasche holte. Er hielt die Flasche an ihre Lippen, schob Lily sanft die Haare aus dem Gesicht. Schlang seine Arme um ihre Taille, zog sie an seine Brust, schmiegte seine Wange an ihr Haar.
Sie saßen neben dem Wagen, die Fahrertür stand offen, und lauschten dem rhythmischen Klicken der Warnblinkleuchten.
Keiner der beiden registrierte den Mercedes, der sich aus Richtung der Autostrada näherte und dessen Scheinwerfer gelb aufblendeten, als der Fahrer auf ihrer Höhe vom Gas ging.
» Lily, wir müssen schleunigst verschwinden.«
» Nein, ich kann nicht.« Lily kämpfte gegen die Übelkeit an, vor ihren Augen drehte sich alles.
» Doch, du kannst.« Er zog sie hoch.
Der Mercedes parkte etwa hundert Meter von ihnen entfernt, zwei Männer hielten mit ausgreifenden Schritten auf sie zu.
» Los, setz dich in den Wagen.« William schubste sie ins Innere. » Und verriegel die Türen.«
Er begrüßte die Männer mit einem knappen Kopfnicken. Kein gutes Zeichen, dachte Lily. Vielleicht waren es Bauern aus dem Ort, die nicht wollten, dass man auf ihren Feldern herumhing– nur dass sie nicht wie Bauern aussahen. Fröstelnd tastete Lily auf dem Rücksitz nach Williams Jacke, zerrte sie nach vorne und legte sie sich um. Sie schloss die Augen und hoffte inständig, dass ihr Begleiter das Problem löste.
Als sie die Lider wieder aufklappte, schien das Problem jedoch zu eskalieren, denn einer der beiden Typen fuchtelte mit einer Pistole vor Williams Nase herum. Sie stöhnte unwillkürlich auf und schlug sich mit der Hand vor den Mund, um den Entsetzensschrei zu ersticken, der ihrer Kehle entfuhr.
Halbwegs wieder gefasst öffnete Lily die Autotür und trat mit zitternden Beinen auf die Wiese. Sie stolperte, hielt sich geistesgegenwärtig am Wagendach fest. Als sie die hastig auf Italienisch geführte Konversation zwischen den drei Männern aufschnappte, blickte sie benommen auf. Mist, weswegen starrten die drei sie bloß plötzlich so an?
» É incinta«, erläuterte William. Er drängte zu ihr, sein Blick auf die Waffe konzentriert, die weiterhin auf ihn gerichtet war. » Ha bisogno di un medico.«
Er raunte ihr zu: » Ich hab ihnen gerade untergejubelt, dass du schwanger bist und dringend einen Arzt brauchst.«
Sie nickte. Ein Arzt wäre nicht das Verkehrteste; heilende Hände, ein kühles Glas Wasser, ein Rezept für ein schmerzlinderndes Mittel. Er schob einen Arm unter ihren und stützte sie, dabei schaute sie die beiden Typen bittend an, hielt sich den flachen Bauch, ihre Mundwinkel gequält nach unten verzogen.
» Mi scusi, signora.« Der Eine zuckte mit den Schultern und deutete mit der Knarre auf seinen schwarzen Mercedes.
» Wir müssen mit ihnen fahren, in ihrem Wagen.«
» Aber…«
» Keine Panik. Tu einfach, was ich dir sage; sie wollen uns bloß ein paar Fragen stellen, streng vertraulich sozusagen. Und lass dich nicht verschaukeln,
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