Lass es endlich Liebe sein
sich noch nicht einmal. „Ich bin derjenige, auf den du wütend sein musst – und nicht die Leute, die für mich gearbeitet haben. Eine Fabrik voll von Menschen, die wie deine Mutter und Bob sind. Du bist zwar mein Sohn, aber du bist nicht wie ich. Lass andere nicht leiden für etwas, für das sie nichts können.“
Unsägliche Wut stieg in Rafe auf – mehr, als je zuvor. Dabei hasste er Ronald Worth schon seit vielen Jahren. Und jetzt behauptete dieser Mann auch noch, sein Vater zu sein? Rafe ließ das Hemd des anderen so abrupt los, dass Worth den Halt verlor, aufs Sofa fiel und die Hände vors Gesicht schlug.
„Ich habe deine Mutter geliebt. Aber ich habe auch gewusst, dass sie mit Bob besser dran ist – ihr beide.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs graue Haar. „Ich habe das getan, was ich für das Beste für alle drei meiner Kinder gehalten habe.“
Erst jetzt wurde Rafe bewusst, dass Emma und Brandon sehr wahrscheinlich seine Halbgeschwister waren. Einst hatte er Emma als Ausgeburt der Hölle beschimpft, und nun schien es, als würde dies auch auf ihn zutreffen.
Das war alles zu viel für ihn, zumal gerade seine Beziehung zu Sarah aus den Fugen geraten war. Er musste unbedingt fort von hier. Sofort. Ohne nachzudenken, verließ er das Büro und hatte zu ersten Mal in seinem Leben keine Ahnung, wohin er gehen sollte.
Nachdem sie die neu installierte Alarmanlage ausgeschaltet hatte, öffnete Sarah ihre Haustür. Sie konnte es kaum erwarten zu erfahren, wie es Emma ging.
Obwohl sie wegen der Nachricht von Emmas Krankenhausaufenthalt ihr Temperament ein wenig gezügelt hatte, war Sarah noch längst nicht anderer Meinung, was die Sache mit Rafe betraf. Sie mussten alles unbedingt langsamer angehen, denn es war gefährlich, bereits nach so kurzer Zeit so viele Emotionen zuzulassen. Zunächst einmal hatten sie die letzten vierzehn Jahre aufzuarbeiten. Und sie hatten immer noch nicht darüber gesprochen, wie sie die Fabrik vor der Schließung bewahren oder zumindest andere Jobs für die zahlreichen Angestellten finden konnten.
Rafe stand vor der Tür, und sein Anblick ließ ihr wie immer den Atem stocken. Trotz der vielen Arbeit schien er viel Zeit darauf zu verwenden, seinen Körper genauso fit zu halten wie seinen scharfen Verstand. Da er kein Jackett trug, konnte Sarah sehen, dass seine Muskeln unter dem Hemd leicht angespannt waren. Die Krawatte hatte er gelockert. Und er schaute ziemlich mürrisch drein.
„Du liebe Güte!“, stieß Sarah hervor. „Geht es Emma gut?“
Er drückte sacht ihre Schulter. „Ihr und dem Baby geht es gut. Ist nur falscher Alarm gewesen.“
Erleichtert trat Sarah zurück, um ihn hereinzulassen. „Ist sonst alles in Ordnung?“
„Ich habe Worth heute getroffen“, entgegnete Rafe und ging unruhig in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab wie ein Tiger im Käfig. „Er hat einen letzten verzweifelten Versuch unternommen, mich zu überzeugen, das Werk nicht stillzulegen.“
Das hatte sie zwar nicht erwartet zu hören, aber da das Thema nun einmal angesprochen war, konnte sie ebenso gut die Gunst der Stunde nutzen. „Und dieses Gespräch mit Mr Worth bereitet dir offensichtlich immer noch Kopfzerbrechen.“ Vielleicht begann er ja allmählich zu begreifen, was für Auswirkungen die Schließung der Fabrik auf Vista del Mar haben würde – vielleicht begann sein Herz sich endlich zu öffnen.
„Du verstehst mich nicht richtig“, erwiderte er. „Er hat keine Tricks versucht oder so. Er hat gesagt, dass seine Sorge um Emma heute ihn dazu gebracht hat, etwas zu klären. Und er hat mir offenbart, dass er und meine Mutter eine … Affäre gehabt haben.“
Erstaunt holte Sarah Luft und setzte sich auf das Sofa neben dem Korb mit der sauberen Wäsche. „Was für eine widerwärtige Lüge! Hannah hätte Bob niemals betrogen!“
„Es war vor der Zeit mit meinem Vat… vor Bob. Worth hat gesagt, er hat meine Mutter nur aus dem Grund gefeuert, weil seine Frau ihn dazu gedrängt hat. Ansonsten hätte sie ihn verlassen.“
Auch wenn sie es immer noch nicht ganz glauben konnte, erkannte sie, wie mitgenommen Rafe wirkte. Also stand sie auf und legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Das muss ja ein ziemlicher Schock für dich gewesen sein. Warum erzählt er dir denn so etwas?“
Und wie konnte ein Geheimnis wie dieses all die Jahre in dieser kleinen Stadt unentdeckt bleiben? Zumindest ihre Großmutter hätte doch etwas wissen müssen. Plötzlich dachte sie an jenen
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