Lass los was dich festhaelt
Die Macht & Ruhm AG kann praktisch überall und von jedermann auf diesem Planeten eröffnet werden, je nach Bedarf als kleiner, mittlerer oder großer Betrieb. Die Möglichkeiten reichen von der Schwiegermutterdarstellung bis zum Opernkartenverkäufer, vom Portier des 5-Sterne-Hotels bis zum Türsteher des angesagten Clubs. Sie alle sorgen für Ruhm, Importanz und - Energiebelieferung.
Und welche Möglichkeiten stehen mir offen, wenn ich in Bezug auf Importanz-Erzeugung absolut talentfrei bin? »Ach«, denkt sich so manche/r, »was ich nicht fertigbringe, das könnte doch jemand anderes für mich tun!« Und schon tauchen sie aus dem Nichts an der Seite eines/einer Importanten auf, die Mausis, Bambis, Katzis und noch so manches andere futterbedürftige Tierlein aus Gottes großem Streichelzoo. Ja, ich gebe zu: Es ist sehr angenehm, nicht Schlange stehen zu müssen und automatisch in die 1. Klasse gesetzt zu werden. Aber spielt das wirklich eine Rolle?
Woher importieren Sie ihre Resonanzenergien? Bitte, sagen Sie jetzt nicht, dass Sie Pilates trainieren, in die Oper gehen oder den Himalaja besteigen. Das ist keine Resonanz! Zumindest nicht die Art von Energie, die in diesem Zusammenhang gemeint ist und die Ihnen Importanz vermittelt und bestätigt.
Auch wenn viele das behaupten. Denn diese Energien meinen nicht Sie persönlich als das Wesen, das geliebt, verstanden und - geehrt sein will. Ach, Sie wollen nicht geehrt sein? Sie finden das peinlich? Dann haben Sie mir gerade mitgeteilt, dass Sie keinen Wert auf Respekt legen. Und dass Sie auf Anerkennung pfeifen und auf sämtliche Komplimente dazu!
Der Mensch lebt von Resonanz, also von reflektierter Energie, die vom Interesse eines Gegenübers angereichert wird. Verweigere einem Menschen über längere Zeit diese Kraftquelle und er verkümmert. Menschen, die in Einzelhaft waren, wissen von den Schäden zu berichten. Wenn Kinder zu wenig Resonanz (Feedback, wie man heute so elegant sagt) bekommen, zeigen sie Entwicklungsstörungen. Alte Leute, vor allem diejenigen, die ohne Familie leben müssen, hungern nach Energiezufuhr. Tragischerweise ist es wiederum genau das, was von den jungen Verwandten als lästig empfunden wird, dieses Verlangen nach attention , nach Aufmerksamkeit, die, wenn sie mit ein wenig Freundlichkeit oder sogar Zärtlichkeit angereichert ist, schon zu spektakulären Testamentsänderungen geführt hat.
Für nichts ist ein Mensch dankbarer als für echte Aufmerksamkeit, für die Bereitschaft eines anderen, an ihm teil-nehmen zu wollen. Und für nichts sind Menschen leichter bereit, sich ausnützen zu lassen, als für dieses teilnehmende Interesse, das die Einsamen so oft als Liebe missverstehen, um dann, wenn der Schleier der Illusion fällt, verbittert zurückzubleiben.
Gerade während ich die letzten Worte schrieb, läutete mein Telefon, was in den nächtlichen Stunden, in denen ich arbeite, eher selten ist. Am anderen Ende der Leitung war ein Freund, den ich seit Jugendtagen habe, mit dem ich oft zusammen auf der Bühne stand und zu dem die Verbindung nie wirklich unterbrochen war. Also, wenn mich jemand um 23.00 Uhr
anruft, um zu fragen, wie es mir geht, weiß ich, dass es dem Anrufer nicht gut geht.
»Weischt, Penny«, begann er in seinem typischen Tirolerisch, »ich versuch’ halt gerade zu mir selbst zu kommen. Und ich sag’ dir, es ist gar nicht einfach, dieses Sich-selber-finden-Müssen. Aber ich spür’, dass ich es tun muss und dass ich das andere hinter mir lassen muss , sonst kann sich nichts mehr weiter entwickeln.«
Ich dachte: Sieh mal an, er weiß doch gar nicht, über welches Thema ich schreibe, und redet über Loslassen wie ein dem Text entstiegener Geist. Ich fragte: »Was ist denn das andere, das du hinter dir lassen musst?«
»Ja, weischt, Penny«, begann er, wie immer, wenn Lebensweisheit besprochen wird, »es wird halt alles anders momentan. Ich spür’s einfach, und das macht irgendwie auch Angst, so wie damals vor dem Tod von der Mutter, wenn man gebetet hat: Dein Wille geschehe.« Er machte eine Pause. »Aber jetzt«, fuhr er fort, »kommt dieser Wille wie eine Einladung herüber, doch einmal was anderes als das Eigene zu machen, weischt, Penny, halt richtig loszulassen.«
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Der Mann ist Musiker und hochmögender Veranstalter ohne erkennbare esoterische Ambitionen. Allerdings ist er genau so alt wie ich, und ob man will oder nicht: Im 63. Lebensjahr können die Karten noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher