Lass sie bluten
Hände waren mit Klebeband gefesselt.
Sie hatte Brandwunden auf der Brust und an den Innenseiten der Oberschenkel. Blutige Wunden an den Armen und auf dem Bauch. Ihr gesamter Unterleib war blutig. In ihrer Brust waren zwei Einschusslöcher.
Adam hielt sich Mund und Nase zu. Natalie spürte, wie der Orangenklumpen in ihrem Magen anfing zu rumoren. Sie rannte zur Toilette.
Eine halbe Stunde später war Thomas zu ihnen gestoßen. Er parkte mit einem Kastenwagen direkt vor der Haustür. Natalie und die Jungs warteten in ihrem Wagen.
Sie gingen gemeinsam hinein.
Der Geruch war inzwischen deutlich zu vernehmen. Oder vielleicht lag es auch daran, dass Natalie wusste, was sie drinnen erwartete.
Thomas und Adam gingen ins Schlafzimmer. Natalie wartete im Flur, Sascha draußen im Wagen mit eingeschaltetem Handy, falls die Bullen aus irgendeinem Grund auftauchen sollten.
Thomas kam heraus: »Verdammt, wie eklig, was für Schweine. Habt ihr irgendetwas angefasst?«
Natalie antwortete: »Ich habe nur den Türgriff angefasst, aber sonst nichts. Und dann hab ich noch in die Toilette gekotzt.«
Adam sagte: »Ich hab die Bettdecke angefasst und zur Seite geschoben, ansonsten nur den Türgriff.«
Thomas verschränkte die Arme vor der Brust. »Okay, wir müssen hinter uns sauber machen. Aber ich denke, wir sollten uns sicherheitshalber der Leiche annehmen.«
Thomas erteilte Order. Nahm dann diverse Wischlappen aus seiner Tasche.
»Nehmt diese Lappen hier. Wischt Türgriffe, das Waschbecken, den Badezimmerfußboden und alle anderen Oberflächen ab, die ihr berührt habt. Und kippt ordentlich viel Cillit Bang drüber. Steckt das Bettzeug in einen schwarzen Müllsack.«
Sie arbeiteten zwanzig Minuten lang. Thomas: wie ein echter Mr Wolf aus
Pulp Fiction
.
Die große Frage: Wie sollten sie Cherkasova hinausbefördern?
Sie legten die Leiche auf eine auf dem Fußboden ausgebreitete Plastikfolie. Thomas drehte das Bett um. Es war ein einfaches Modell mit gewöhnlicher Schaumstoffmatratze. Er nahm eine Stichsäge zur Hand, steckte den Stecker in die Steckdose. Sägte das Bett von unten auf. Legte die Leiche in den Bettrahmen. Er sah aus wie ein Sarg. Sie bedeckten das Ganze mit der Matratze und einer weiteren schwarzen Plastikfolie. Klebten es mit viel Silberklebeband zu.
Thomas ging hinaus ins Treppenhaus. Schraubte alle Glühbirnen heraus – als Prophylaxe gegen neugierige Nachbarn. Sie trugen das Bett hinunter. Melissa lag darin wie eine schwere Luxusmatratze.
Adam fuhr mit der Leiche im Kastenwagen davon.
Thomas sagte: »Ich glaube, sie haben das Filmmaterial nicht gefunden. Sie scheint ziemlich viel ausgehalten zu haben. Sie hätten ihr das nicht angetan, wenn sie das Zeug bekommen hätten. Und ich glaube auch nicht, dass sie es hier drinnen versteckt hat. Sie haben ja alles durchsucht.«
Natalie schaute auf. Sie saß immer noch auf dem Stuhl. Vor ihr standen Goran, Bogdan und Sascha. Im Kühlraum innerhalb der Küche des Bistro 66. Das Lokal gehörte einem ehemaligen Kollegen ihres Vaters.
Auf den Regalen: Milchpackungen, Saftpackungen, Sellerie und andere Gemüsesorten, massenweise Limonen und Zitronen. Massenweise Drinkzutaten. Um sie herum: großräumige Kühltruhen.
Über den Regalen: Plastikfolie. Auf dem Fußboden: Planen. Der gesamte Raum war mit Plastik ausgekleidet.
Das Ganze war gut geplant – denn auf dem Boden lag Marko.
Natalie stand auf. Es war vier Tage her, dass sie Melissa Cherkasova gefoltert und ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden hatten. Thomas hatte schließlich auch das Material gefunden. Eine DVD , die hinter einem Abflussrohr in der Waschküche festgeklebt war. Insgesamt: siebenundzwanzig Minifilme. Drei verschiedene Männer, drei unterschiedliche Hotelzimmer. Drei verschiedene Perversionen. Einer von ihnen war der Politiker Svelander, ein anderer war ihnen unbekannt, und der Dritte war ein hochrangiger Polizeichef, den Thomas wiedererkannte. Svelander schien auf Analsex zu stehen. Der unbekannte Schwede ließ sich gerne einen blasen. Letztgenannter staffierte Melissa als Schulmädchen aus, fesselte ihre Hände und machte dann drei Stunden lang irgendwelche S&M-Sachen mit ihr.
Natalie hatte Sascha losgeschickt, um Martina Kjellsson zu informieren. Sie würde nur die halbe Wahrheit erfahren: »Melissa ist verschwunden, aber wir haben nichts damit zu tun. Versuchen Sie nicht, Kontakt zu ihr aufzunehmen, rufen Sie nicht die Polizei oder irgendwen anders. Wir kümmern uns selbst
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