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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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haben bereits mehr als elf Minen vom Meeresboden entfernt. Aber das dankt uns keiner.«
    Natalie und Stefanovic nickten im Takt. Sie waren eigentlich nicht hergekommen, um sich eine Vorlesung über Naturgaspolitik anzuhören.
    Vladimir sagte: »Um dieses Projekt durchführen zu können, benötigen wir Unterstützung. Wir haben bereits einige Hindernisse überwunden, es liegen aber auch noch viele vor uns.«
    Der Dolmetscher reihte die schwedischen Worte aneinander. Natalie war sich nicht sicher, ob er überhaupt verstand, was er da sagte. Er erwähnte Studien von Experten, Auflistungen der Konsequenzen für die Umwelt, offizielle Hearings. Die Espoo-Konvention, die Provinzialregierung, den Naturschutzbund, das Forschungsinstitut des Militärs, das Seefahrtsamt und den Aufsichtsrat des Transportgewerbes.
    Eines war jedoch offenbar: Es handelte sich um einen extrem komplizierten Entscheidungsprozess. Viele Personen mussten in die richtige Richtung gepusht werden.
    Natalie dachte an die Leute, die sie in den vergangenen Monaten getroffen hatte. Den Waffenhändler Gabriel Hanna und das Mädel vom Black & White Inn. Ihre Verbündeten Goran, Thomas, Ivan Hasdic und die anderen. Sie musste an die Frauen Melissa Cherkasova und Martina Kjellsson denken. Und jetzt die Russen.
    So viele Menschen waren in ein Netz von Geschäften eingebunden. Menschen, die sie als Leitfigur ansahen. Als Chefin. Als eine Frau, die Befehle erteilte.
    Aber wer war sie eigentlich? Sie hatte nie davon geträumt, irgendwann einmal eine große Organisation zu leiten. Und wenn sie näher darüber nachdachte, wusste sie eigentlich gar nicht, wovon sie überhaupt geträumt hatte. Alles wäre möglich gewesen. Vielleicht entsprach die Chefposition tatsächlich ihrer Bestimmung.
    Vladimir kam zum Schluss seiner Ausführungen.
    »Wir pfeifen darauf, mit wem wir zusammenarbeiten, denn das Wichtigste ist, dass es reibungslos funktioniert. Die Streitereien zwischen euch in der Vergangenheit beeinträchtigen unsere Geschäfte. Die Leute werden nervös. Einflussreiche Personen wollen unsere Dienstleistungen und Geschenke plötzlich nicht mehr annehmen. Entscheidungen werden hinausgezögert, die wiederum die Nordic Pipe verzögern. Eure Uneinigkeit kostet uns jeden Tag viel Geld.«
    Natalie schielte zu Sergej Barsykov rüber. Er schien sein Kaugummi inzwischen ausgespuckt zu haben.
    Vladimir sagte: »Ihr müsst euch irgendwie einigen. Sie, Kranjic, haben Material, das wir benötigen, und das haben Sie, Stefanovic, ebenfalls.«
    Letzteres kam eher überraschend, nämlich dass Stefanovic ebenfalls Material besaß. Aber andererseits war es gar nicht so merkwürdig – die Bestechungs- und Erpressungsversuche hatten bestimmt an mehreren Fronten gleichzeitig stattgefunden.
    Die Russen und JW standen auf. Nun würden Natalie und Stefanovic allein weiterdiskutieren. Wie sie den Markt in Stockholm unter sich aufteilen würden, war nicht ihr Business.
Solntsevskaja bratva
überließ es ihnen.
    Nach Aussage Vladimirs gab es keine Alternative – wenn sie in zwei Stunden zurück in den Konferenzraum kämen, müssten sie und Stefanovic sich geeinigt haben.
    Natalie blieb auf ihrem Platz sitzen.
    Stefanovic saß ihr direkt gegenüber.
    Er sagte: »Okay. Du hast gehört, was sie wollen. Lass uns reden.«
    Natalie schob die Finger in die Innentasche ihrer Jacke.
    Der Kamm lag sicher in seinem Futteral.

64
    Jorge pfiff auf die Kälte.
    Kälte existierte für ihn nicht. Zu viele Narben in seiner Geschichte. Zu viele verletzende Erinnerungen.
    Jorge hatte bereits das meiste gesehen. Typen, die sich verspekuliert hatten, Freunde, die ’ne Überdosis genommen hatten, vergewaltigte Bräute. Die Stockholmer Unterwelt war sein Zuhause. Seine Schule. Sein Kindergarten.
    Aber jetzt: Das hier war etwas anderes.
    Heute Abend – er: bereit zu sterben.
    Heute Abend: Ihr seid ich, und ich bin ihr. Mein Blut reinigt uns von allen Sünden.
    Seine Mutter wusste noch nichts. Jorge hatte sie angerufen – gesagt, dass Paola und Jorgito für ein paar Tage weggefahren waren.
    Jetzt war es so weit.
     
    Er und Javier saßen in einem frisch geklauten Citroën. Fuhren auf der E20 in Richtung Süden. Auf dem Weg nach Taxinge. Vorbei an Södertälje. Zu einer Kiesgrube.
    Der Kompagnon des Finnen hatte ihm vor einer Stunde den Ort mitgeteilt. »Nimm das Geld mit und komm allein.«
    JW hatte Jorge gestern Fünfzigtausend geliehen. Das Geld lag zuoberst in Bündeln mit gefakten Scheinen aus Papier,

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