Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
der Zeit in Stockholm gelebt. Sich mit den falschen Leuten umgeben. In den falschen Kneipen rumgehangen. Und irgendetwas war schiefgelaufen. JW ’s Schwester verschwand, und keiner schien zu wissen, was ihr zugestoßen war – aber alle wussten, dass es etwas Schreckliches war. JW hatte nach ihr gesucht, Nachforschungen angestellt, versucht, sie ausfindig zu machen.
    Torsfjäll wusste nicht genau, was JW herausgefunden hatte. Aber irgendetwas schien er zu wissen.
    Hägerström warf einen Blick in die
Vanity-Fair
-Zeitschrift. Er versuchte die Informationen auf einen Nenner zu bringen. Er musste JW irgendwie zu fassen bekommen. Er musste diesen Mann aus der Entfernung kennenlernen. Ihn verstehen. Sich wie ein Psychologe in ihn hineindenken.
    Er klappte seinen Laptop auf. Die Melodie von Apple ertönte, als das Gerät hochfuhr. Eigentlich sollte er sich schlafen legen, für heute hatte er genug gedacht. Aber erst musste er noch eine Sache erledigen.
    Eine Weile später erschienen circa zwanzig Fotos, die er auf unterschiedlichen Websites gefunden hatte, auf dem Bildschirm. Aus unterschiedlichen Kameraperspektiven: von oben, von der Seite, von unten. In unangenehmen Positionen. Mit kaltem Licht. Indiskrete Bilder, die einen gewissen Frust erkennen ließen.
    Er sprang zwischen den Bildern hin und her. Zoomte sie heran. Zoomte sie wieder zurück.
    Mitunter kam es ihm vor, als starrte Graf Gustaf von der Wand auf ihn herab.
     
    Eine Viertelstunde später lag er im Bett. Mit gewaschenem Schwanz. Geputzten Zähnen. Im Zimmer war es rabenschwarz. Er dachte an nichts. Schloss die Augen.
    Er musste aufhören, so zu leben.
    Sein Vater war inzwischen tot.
    Anna und Pravat wohnten nicht länger hier.
    Sein Leben brauchte dringend einen Neustart.
    ***
    Polizist nach Körperverletzung suspendiert
     
    Ein Polizist aus Stockholm wurde vom Ausschuss der Reichspolizeibehörde suspendiert, nachdem er wegen Körperverletzung verurteilt worden war. Er ist bereits der fünfte Polizeibeamte, der innerhalb dieses Jahres entlassen wurde.
     
    Innerhalb des Ausschusses herrschte keine Einigkeit über den Beschluss, den Polizeibeamten zu suspendieren. Drei Mitglieder stimmten dafür, den Fall einzustellen.
    Der Mann, der als Kriminalinspektor tätig war, hatte außerhalb seiner Arbeitszeit eine Würstchenbude in der Nybrogata in Stockholm aufgesucht. Er gibt an, dass er dort beobachtete, wie zwei andere Gäste eine jüngere Frau belästigten. Nachdem der Polizist mehrfach versucht hatte, einen der Gäste mit Worten davon abzuhalten, schlug er ihm mit der Faust ins Gesicht, woraufhin dieser zu Boden fiel.
    Der Gast selbst und sein Freund geben ein anderes Bild von dem Vorfall.
     
    Dieser Mann hat mich ohne jegliche Vorwarnung geschlagen, und ich habe keine Ahnung, warum. Es ist doch nicht zu fassen, wenn Polizisten während ihrer Freizeit herumlaufen und so etwas tun. Außerdem war er betrunken.
    Die Zeugen, die TT [3] befragt hatte, bestätigen die Aussagen des Gastes.
     
    TT

9
    Feuchte Kopfkissen, zerwühlte Bettlaken. Kälte im Zimmer, obwohl Mama den Thermostat auf dreiundzwanzig Grad hochgestellt hatte. Die ganze Zeit: ständig wiederkehrende Gedanken, andauernde Unruhe, unheimliche Erinnerungen.
    Natalie ging nicht außer Haus. Sie
durfte
nicht außer Haus gehen. Saß hauptsächlich gemeinsam mit Mama in der Küche, telefonierte hin und wieder mit Viktor und schaute sich Videoclips auf YouTube an, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber die meiste Zeit über lag sie in ihrem Bett und studierte die Struktur der Zimmerdecke.
    Morgens trank sie eine Tasse Tee, und mittags versuchte sie ein Spiegelei zu essen. Das war alles. Mama lag ihr in den Ohren, dass sie mehr essen sollte – bereitete Salate zu und bestellte nahrhafte Kost über den Lieferservice. Doch Natalie brachte nichts herunter; allein schon ein Blick auf die Tomaten bewirkte, dass sie kurz davor war, das Mittagsei wieder zu erbrechen.
    Nachts stand ihr die Szene wieder und wieder vor Augen. Das Parkhaus: wie sich die Blutlache unter Papas Körper ausbreitete. Die Hektik um ihn herum. Menschen, die sich zu Boden warfen, auf die Ausgänge zustürmten, hinter großen Autos in Deckung gingen. Sie hörte die Schreie und Rufe. Stefanovic, der lautstark Befehle auf Serbisch erteilte. Gorans Gebrüll. Doch nach ein paar Sekunden wurde alles um sie herum still. Sie wusste, wie man das nannte: Sie befand sich im Auge des Sturms.
    Goran knuffte sie unsanft in ein Auto hinein. Presste

Weitere Kostenlose Bücher