Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
Spezialanfertigung von Liz Alpert Fay, und es existierte nur ein Exemplar – nämlich dieses hier.
    Auf der Alpert-Fay-Fußmatte lagen drei Briefumschläge und eine Zeitschrift in einer Plastikhülle.
    Er schloss die Gittertür auf, sie quietschte.
    Ihm gefiel seine Wohnung in der Banérgata.
    Er zog seine Schuhe aus.
    Er legte seine Jacke auf den Schemel, der an der einen Wand stand, und zog seine Samtpantoffeln an – auf Strümpfen zu gehen, war nicht sein Ding. Als er vor fast zwanzig Jahren seine erste Wohnung bezog, war sein Vater rübergekommen und hatte gesagt: »Alle Flure benötigen einen Schemel.«
    Daraufhin stellte er einen Schemel mit Holzbeinen von Svenskt Tenn mit einem Bezug von Josef Frank auf den Fußboden. Er war zeitlos, und er stand immer noch in Hägerströms Flur.
    Der Gedanke dahinter war, dass Gäste – und selbstverständlich auch der Bewohner selbst – die Möglichkeit haben sollten, sich hinzusetzen, um sich die Straßenschuhe an- und auszuziehen. Keiner sollte sich in unwürdiger Weise hinunterbeugen müssen, nur um die Schuhe zu wechseln. Ein Schemel vereinfachte nach Aussage von Hägerströms Vater die wichtigste Funktion des Flurs. Doch Hägerström setzte sich nie darauf, stattdessen warf er seine Pullis, Handschuhe, Taschen und Jacken auf das Möbelstück. Wie unrecht sein Vater doch gehabt hatte – der Schemel vereinfachte das Flurleben zwar, jedoch nicht nach dessen Plan.
    An der Wand hing ein einen Quadratmeter großes Konzertfoto von David Bowie, das er im vergangenen Jahr bei Sotheby’s ersteigert hatte. Milwaukee Arena, 1974. Bowie hielt das Mikro nahezu krampfartig in einer Hand. Die andere ballte er zur Faust. Er sah cool aus.
    Auf dem Fußboden im Flur lag ein Kelim. An den Wänden hingen geerbte Kristalllüster. Ihm gefiel seine eigene Mischung aus Altem und Neuem. Hägerström hegte schon seit langem ein Interesse für Einrichtungsdinge. Es war nichts, was er aufgegriffen hätte, nachdem die Martin-Timell-Ära das Zuhause des schwedischen Plebs erobert hatte. Hobbytischler, Pseudodesigner und Einrichtungswichtigtuer hatten sämtliche Fernsehkanäle okkupiert, ohne die Leute darüber zu informieren, wie man eigentlich guten Geschmack definierte. Alle glaubten, dass es sich um das immer wiederkehrende skandinavische Design handelte: Myranstühle, Superellipsen und AJ -Pendelleuchten von Arne Jacobsen. Das machte die Leute nervös; man merkte es daran, dass alle dachten, alles müsse irgendwie gleich aussehen.
    Er setzte sich mit der Post in die Küche. Auf dem Beistelltisch stand eine Vase mit Blumen. Es war eine der Extraaufgaben seiner Putzfrau – immer dafür zu sorgen, dass er frische Schnittblumen zu Hause hatte. Über dem Tisch hing ein Bild von Graf Gustaf Cronhielm af Hakunge. Das Gemälde war über hundert Jahre alt, und im Licht der Bildbeleuchtung am oberen Rand des Rahmens waren bereits kleine Risse in der Farbe zu erkennen.
    Er schlitzte die Briefe mit dem Finger auf. Eine Stromrechnung. Eine Rechnung vom Rechtsanwalt. Wenn er sein geerbtes Geld nicht besäße, würde er von seinem Polizeigehalt nicht einmal das Honorar für den Rechtsanwalt aufbringen können.
    Die Tür zu Pravats Zimmer stand offen, er ließ sie bewusst offenstehen – wollte die Spielsachen und das Bett des Jungen sehen können.
    Der letzte Brief enthielt eine Werbesendung irgendeiner Lotterie. Sinnloses Zeugs.
    Er nahm die Zeitschrift zur Hand.
Vanity Fair
. Blätterte zerstreut darin.
    Die Uhr an der Mikrowelle zeigte halb zwölf an. Ein langer Arbeitstag. Aber vielleicht arbeitete er letztlich fünfzehn Stunden am Tag, um zu vergessen. Um die Trauer darüber zu lindern, nicht öfter mit Pravat zusammen sein zu können. Um weiterleben zu können, ohne zu sehr zu leiden.
    Er hatte bei Östermalms Korvspecialist in der Nybrogata gegessen. Bruno hieß der deutsche Inhaber, der auf einer Fläche von ungefähr sechs Quadratmetern mehr als dreißig verschiedene Sorten Würste bereithielt. Ungarische Kabanossi, deutsche Zwiebelwurst, tunesische Merguez, argentinische Chorizo; sag-was-du-haben-willst-und-Bruno-bereitet-es-dir-zu. Und die Beste von allen: Zigeunerwurst. Hägerström bestellte zwei Stück mit Brot. Spazierte in dem tristen Wetter nach Hause. Genoss jeden einzelnen Bissen.
    Seine Mutter Lottie versuchte die Scheidung mit Humor zu nehmen. Sie sagte: »Anna kommt schließlich aus Norrland. Und in Norrland heißen ja alle irgendwas mit -ström; wahrscheinlich hat sie

Weitere Kostenlose Bücher